Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
etwa zum König machen? Das wäre Wahnsinn!“
„Es hat in der Geschichte weit schlimmere Könige gegeben. Aber ein Schritt nach dem anderen. Ich sprach nicht davon, ihn morgen zu krönen. Es reicht, wenn er dies als sein Ziel anerkennt. Noch nie ist ein Großwesir König geworden, das Amt ist dafür eher hinderlich. Bis Kirai dann tatsächlich Ambitionen auf den Thron anmeldet, kann noch viel passieren“, entgegnete Hem.
„Ein riskanter Plan. Und wie wollen wir das überhaupt anstellen? Wenn der König davon erfährt, landen wir beide in der Grube“, gab Kolat zu bedenken.
„Ihr werdet alt, Kolat. Seid Ihr sicher, dass Ihr noch Großwesir werden wollt? Angst ist ein schlechter Berater, wenn man sich nach oben bewegt. Der König möchte Kirai als Großwesir genauso verhindern, wie wir“, sagte Hem.
„Gut, gut. Mir ist aber immer noch nicht klar, wie Ihr das anstellen wollt“, bohrte Kolat weiter.
„Ein wenig mehr Phantasie, Kolat. Kirai heiratet bald die Tochter des Königs, derart familiäre Bande können gewisse Begehrlichkeiten wecken. Dazu noch ein wenig Nachdruck von Nomos Seite … Der König selbst wird sich dem nicht verschließen“, antwortete Hem.
„Ha, das setzt voraus, dass die Prinzessin damit einverstanden ist. Wie ich hörte, ist sie von Kirai wenig begeistert“, zweifelte Kolat.
„Glaubt mir, sie wird, Kolat, sie wird“, sagte Hem.
„Ich werde niemals!“, flüsterte Nomo zu sich selbst.
Mit Tränen in den Augen schlich sie weiter durch die Gänge. Sie musste diese Hochzeit verhindern. Auf die Hilfe von Hem – so wie gehofft – konnte sie dabei offensichtlich ebenfalls nicht zählen. Waren denn alle gegen sie?
***
Kex saß auf einem der Dächer im Händlerviertel, einen Stift und ein paar vergilbte Blätter in der Hand. Er beobachtete das Treiben unter ihm. Abgesehen von Markttagen war die belebte Geschäftsstraße das bevorzugte Jagdrevier der Diebe. Die Läden der Händler boten mit ihren Auslagen genügend Ablenkung und die Enge der Straße sorgte für den nötigen Körperkontakt. Dabei hatte es Kex heute nicht auf einen eigenen Beutezug abgesehen, vielmehr suchte er nach talentiertem Nachwuchs. Mitglieder für eine neue Bande, so sein Plan. Eine gut organisierte Gruppe konnte wesentlich mehr herausschlagen als der Einzelne, wenn man nur die Talente jedes Mitglieds geschickt einzusetzen wusste. Die richtigen Fähigkeiten vorausgesetzt, würden sie so schon bald ein hübsches Vermögen anhäufen, schließlich stahl ihnen ja Esrin nicht mehr einen Großteil der Gewinne. In der Stadt wimmelte es von Dieben und Halsabschneidern, doch die wenigsten erschienen Kex gut genug für sein Vorhaben. Es galt nicht nur die Geschicktesten zu finden, sondern auch die, denen er vertrauen konnte. Um letzteres machte er sich heute noch keine Gedanken, wegen ersterer Anforderung saß er hier oben, mit ungestörtem Überblick über das Geschehen. Petel hatte ein paar Gerüchte gestreut, die heute fette Beute versprachen, und tatsächlich musste Kex nicht lange warten, bis die ersten Langfinger durch die Gasse schlenderten. Einige der Gestalten kannte er flüchtig von früher, andere waren neu in der Stadt. Die meisten agierten als Einzelgänger, lediglich einmal arbeite ein Paar zusammen. Ihre Strategien waren so unterschiedlich wie sie selbst. Manche Tricks kannte selbst Kex noch nicht. Es gab die einfachen, penetranten Bettler, die sich solange nicht abschütteln ließen, bis der Passant ihnen entnervt einen Kupferling zuwarf. Das ganze Gegenteil stellten beinahe edel gekleidete Herren dar. Sie verwickelten ihr Opfer meist in ein Gespräch über die Waren eines Händlers und nutzten dann ihre flinken Finger. Andere schlichen sich möglichst unauffällig an, versuchten dann heimlich ihr Glück. Das einzige Paar baute auf weibliche Reize. Während sie also den Händler kokett umgarnte, bediente er sich dreist bei den Waren. Für einen Moment spielte Kex mit dem Gedanken, ebenfalls eine Frau in die Bande aufzunehmen, entschied sich dann aber dagegen. War sie hübsch, brachte sie nur Unruhe in die Gruppe, war sie hingegen hässlich, taugte sie nicht für den Job. Also konzentrierte sich Kex auf Jungen oder Männer. Zu jedem, der ihm auch nur annähernd geeignet erschien, notierte er sich einige Details. Wie ging derjenige vor? Wie erfolgreich war er dabei? Wie alt etwa? Kleidung? Besondere Merkmale? Schließlich mussten Kex und Petel denjenigen gegebenenfalls wiederfinden. Nach einigen Stunden
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