Die Legende der Dunkelheit: Thriller
Anwalt, der auf Fusionen und Übernahmen spezialisiert war, hatte sein Vermögen gemacht, lange bevor er seinem Sohn begegnet war, den er vierzig Jahre zuvor zur Adoption freigegeben hatte. Alex St. Pierre hatte Michael zwar groß gezogen, doch sein leiblicher Vater war Steven Kelley, der ihn nach dem Tod der Mutter, als Michael erst ein paar Stunden alt gewesen war, weggegeben hatte. Da er selbst nicht in der Lage gewesen war, für das Kind zu sorgen, und überhaupt keine finanziellen Mittel hatte und kurz davor stand, obdachlos zu werden, hatte Kelley dafür gesorgt, dass Michael in eine warmherzige und treusorgende Familie kam, und dann heimlich aus der Ferne beobachtet, wie der Junge heranwuchs. Sie hatten einander erst zwei Jahre zuvor wiedergefunden – dank Michaels verstorbener Frau Mary –, aber innerhalb dieser kurzen Zeit hatten sie eine Bindung entwickelt, als stünden sie einander bereits seit Jahrzehnten nah.
Busch saß in dem schweren Ledersessel und starrte Jon an, der ihm und Michael gegenübersaß.
»Der Flug dauert nur zweieinhalb Stunden«, sagte Simon, der gerade aus dem Cockpit kam. »Wir müssten gegen neun landen.«
»Wie wollen wir KC in einer so riesigen Stadt finden?«
»Sie ist mit Annie zusammen«, sagte Jon.
»Hoffnungsfroh stimmt mich das nicht gerade«, meinte Busch.
»Ich werde Annie finden und mit ihr fertig werden.«
»Und wenn dein ehemaliger Arbeitgeber sie schon vor dir hinterhältigem Verräterschwein gewarnt hat?«
»Ich werde sie finden«, wiederholte Jon ungehalten. »Ich verspreche, dass ich euch helfen werde, sie zurückzubringen.«
»Wie krank ist der Colonel?«, wollte Michael wissen.
»Nasenbluten, Kopfschmerzen – er nimmt starke Schmerzmittel. Er geht davon aus, dass er die Insel bis morgen findet. Obwohl er schon so lange hinter seinem Bruder her ist und um jeden Preis verhindern will, dass dieses Virus auf die Bevölkerung losgelassen wird, ist alles anders geworden, als es ihm plötzlich selber ans Leben ging.«
»Und wann ist KC infiziert worden?«, fragte Michael kühl und verdrängte, was wirklich in ihm vorging.
»Vor vier Tagen, als sie die Staaten verlassen hat.«
Busch erhob sich von seinem Sessel und wäre fast mit dem Kopf an die Decke gestoßen, als er in den hinteren Teil des Flugzeugs ging, verzweifelt bemüht, sich zusammenzureißen.
»Schauen Sie, Lucas hat nicht den geringsten Zweifel, dass ihn dieses Gegengift, das auf der Insel ist, heilen wird. Er ist ein äußerst gewissenhafter Mann und für seine Sachlichkeit bekannt und keiner, der sich falsche Hoffnungen macht. Das heilende Gegengift ist auf dieser Insel. Also bringen wir KC dorthin, und sie wird wieder gesund.« Aufrichtigkeit sprach aus Jons Worten.
»Möchtet ihr zwei vielleicht einen Drink?«, fragte Simon, der mit Zheng Hes Buch unter dem Arm an ihnen vorbeiging.
Michael und Jon schüttelten den Kopf, und Simon ging weiter in den hinteren Teil des Flugzeugs.
»Und noch etwas, Michael«, fuhr Jon fort. »Es tut mir leid. Ich weiß, das bedeutet dir nichts, aber es tut mir wirklich leid.«
Michael starrte Jon an und schwieg. Schließlich stand Jon auf und setzte sich in einen der Sitze im vorderen Teil der Maschine.
Michael schaute aus dem Steuerbordfenster nach draußen. Die tief stehenden Wolken am Horizont waren von rosafarbenen Schleiern durchzogen, und er sah, wie die Sonne über dem Chinesischen Meer aufging.
Trotz allem, was Jon gesagt hatte, trotz allem, was Simon in Zheng Hes Tagebuch gelesen hatte, war Michael in Panik. Er hatte seine erste Frau Mary durch Krebs verloren, und es hatte ihm fast das Herz zerrissen, dass er ihr nicht helfen konnte und zusehen musste, wie sie dahinsiechte. Jetzt war KC krank, aber dieses Mal konnte er die Frau, die er liebte, retten. Er konnte KC die Heilung verschaffen, die er für Mary nicht hatte finden können – wenn Simon recht hatte. Aber selbst wenn sie die Insel fanden … wer wusste schon, ob die Tränen des Phoenix auch wirklich dort waren, und wenn ja, ob sie sie finden würden? Auf dieser Insel gab es keine Apotheke, niemand konnte dort einfach anrufen und darum bitten, dass man ihnen das Gegengift vorbeibrachte. Das Einzige, was ihm ein bisschen Hoffnung machte, war die Tatsache, dass es den Atem des Drachen wirklich gab, denn dieses Elixier hatte jemand von der Insel gestohlen. Und wenn die Krankheit dort war, dann war vielleicht, nur vielleicht, auch die Heilung dort.
Michael spürte das Vibrieren des BlackBerry
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