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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Und sie hätte bestimmt noch viele Jahre erfolgreich sein können, wenn sie nicht dem zum Opfer gefallen wäre, was sie den Fluch auf ihrer Familie nannte.
    Sie nannten es Fluch – und angesichts der Beweise, die es gab, sah es so aus, als könnte es tatsächlich nur ein Fluch sein. Midivas Mutter war im Alter von neunundzwanzig Jahren gestorben und hatte die zwölfjährige Midiva und deren vierzehnjährige Schwester Rose zurückgelassen. Ihre Großmutter war mit achtundzwanzig Jahren gestorben, und man nahm an, dass ihre Urgroßmutter nicht einmal fünfundzwanzig geworden war. Rose war als junges Mädchen gestorben. Jede der Frauen war in ganz jungen Jahren von einer anderen Krankheit dahingerafft worden, gleich waren nur die Geschwindigkeit und die Grausamkeit, mit der das Ganze vonstatten gegangen war. Keine war dreißig Jahre alt geworden.
    Als Midiva an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb, vier Monate vor ihrem dreißigsten Geburtstag, gab es niemanden mehr, der sich um Annabeth hätte kümmern können: keine Schwester, keine Großmutter, keine Cousins oder Cousinen, und ein Vater tauchte auch nicht auf wie im Märchen, um sie zu erretten.
    Annabeth wurde ein Fall für das Jugendamt von New York City, wo sie während der letzten sechs Monate vor dem Tod ihrer Mutter gewohnt hatte. Die ersten zehn Jahre ihres Lebens hatte sie in schillernden Metropolen wie Paris, Mailand und London gelebt, die edelsten Speisen gegessen, in den feinsten Hotels logiert, und war sicher und geborgen gewesen in der warmen Umarmung ihrer glamourösen Mutter. Das war nun alles nur noch eine blasse Erinnerung, jetzt gab es kaltes Abendessen aus der Dose und Nächte in überfüllten Schlafsälen, wo man sich um eine Decke prügeln musste. Sie wurde von den anderen Pflegekindern gehänselt, ausgelacht und manchmal auch verprügelt. Sie wurde von einer Pflegefamilie in die andere gesteckt und kam schnell hintereinander zu zwei Familien, die sich nur deshalb ein Pflegekind ins Haus holten, weil sie dafür Geld bekamen, die der kleinen Annabeth aber weder Liebe noch Güte angedeihen ließen.
    Das änderte sich, als sie in ihre dritte Pflegefamilie kam. Die McGuinns waren anders, sie hatten zwei eigene Söhne und ein Pflegekind namens Enrique Vajos, der lieber Rick genannt werden wollte, um in der irischen Familie nicht aus dem Rahmen zu fallen. Annabeth bekam ein eigenes Zimmer, das Essen war warm und lecker, sie sorgten dafür, dass sie zur Schule ging, und überwachten ihre Hausaufgaben. Die McGuinns waren alles andere als wohlhabend und kamen als Grundschullehrer in der North Bronx gerade so über die Runden. Sie hatten nicht die Absicht, Annabeth an eine andere Familie abzuschieben, und sagten ihr, dass sie alles tun würden, was in ihrer Macht stand, damit sie bei ihnen bleiben konnte, bis sie achtzehn Jahre alt war und auf eigenen Füßen stand.
    Doch trotz der beruhigenden Worte und der Geborgenheit in diesem Haus fürchtete sie, dass sie sich auf ein Leben vorbereitete, dass es nie geben würde, weil der Tod sie in jungen Jahren holen würde – egal, was sie tat.
    Das meiste lernte sie von Rick. Der siebzehnjährige Junge war ungemein klug und weise für sein Alter. Seit seinem sechsten Lebensjahr stand er unter der Vormundschaft des Jugendamts und konnte sich kaum noch daran erinnern, wie seine Mutter an dem Tag ausgesehen hatte, als sie verhaftet wurde, und seinen Vater hatte er nie kennengelernt, denn der saß wegen vorsätzlichen Mordes im Gefängnis. Durch diese von Drogen und Kapitalverbrechen geprägte Familiengeschichte wusste er, wie hart es war, sich gegen das Schicksal zu stemmen, vor allem, da die Gesellschaft die Kinder nach den Taten der Eltern zu beurteilen schien. Genau wie Annabeth wusste er, wie schwierig es war, wenn man aus der Kindheit herausgerissen und in ein bürokratisches System geworfen wurde, doch war er fest entschlossen, sich eine andere Zukunft zu bauen. Er erklärte Annabeth, dass es so etwas wie Schicksal gar nicht gebe, dass da keine unsichtbare Macht sei, die das Leben der Menschen lenke und bestimme. Er erklärte ihr, dass sie in einer Welt lebten, in der die Menschen glaubten, Statistiken seien Schicksal, dass das aber nicht stimme. Statistiken behaupteten, dass die Chance, sich das Ja-Wort zu geben, bei unter zehn Prozent lag, wenn man bis zum vierzigsten Lebensjahr noch nicht verheiratet war. Dass es keine Fluglinie gab, deren Aktien innerhalb eines Kalenderjahres um mehr als acht Prozent steigen

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