Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
heute«, meinte er zu Randur auf dem Weg zum Tresen.
»Ja. Sie ist auf mir eingeschlafen. Zweimal.«
»Hoffentlich nicht, als ihr zugange wart.«
»Fast.«
»Erspar mir diese Geschichten, Junge! Ich hab meinen Docht schon lange nicht mehr in Wachs getaucht – das zweite Jahr sitz ich schon auf dem Trockenen.« Er bestellte beim Wirt zwei Bier.
Randur blickte sich flüchtig um und bemerkte am anderen Ende der Theke einen Fremden mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze.
»Also«, fragte Denlin zwischen zwei Schlucken, »was bringst du mir diesmal Schönes?«
Randur gab ihm zwei goldene Ringe. Beide trugen einen kostbaren Edelstein. »Taugt wenigstens einer davon etwas?«
Denlin hielt die Stücke ins Licht, neigte sie nach rechts und links und legte das Gesicht dann in zahllose Falten. »Nicht schlecht, Junge. Von wem sind die?«
»Von einer Lady Iora – frisch verwitwet und darum stinkreich.«
Der Fremde mit der Kapuze schnappte nach Luft und blickte in einen Krug.
Denlin warf erst dem Unbekannten, dann Randur einen Blick zu. »Verrätst du mir, wer dein Kumpel ist?«
»Wie bitte?«, fragte Randur.
»Dein Kumpel, der mit dir reinkam.« Denlin zeigte auf den Neuankömmling mit Kapuze.
»Ich bin allein unterwegs«, sagte Randur und fragte den Fremden: »Interessieren Euch unsere Angelegenheiten?«
Die Gestalt wandte sich zum Gehen, doch Denlin packte sie am Arm. Der Fremde stieß einen schrillen Schrei aus.
»Hör auf, Den!« Mit plötzlichem Begreifen zog Randur dem Gast die Kapuze ab. »Lady Eir, was treibt Ihr denn hier? Wie habt Ihr Euch aus dem Balmacara geschlichen?«
Ihre Augen weiteten sich vor Unsicherheit. Dann konnte sie bloß noch auf den Boden schauen. Ihr Haar war zerzaust. Sie trug weder Make-up noch Schmuck und auch sonst nichts, was auf ihren Rang hätte schließen lassen. Hier unten allerdings kannte man sie ohnehin nur dem Titel nach, und keiner wusste, wie sie aussah.
Randur zog ihr die Kapuze wieder über den Kopf und brachte sie nach draußen. Denlin folgte ihm.
»Eir«, flüsterte er. »Was treibt Ihr denn hier?«
Sie fuhr in der dunklen Straße herum und war plötzlich wieder so passiv und gleichzeitig aggressiv wie sonst.
»Offen gesagt, Randur Estevu, bin ich der Ansicht, dass Ihr mir diese Frage beantworten solltet. Ich habe Euch gerade mit eigenen Ohren einen Diebstahl zugeben hören, und obendrein ist das Opfer sogar eine Hofdame. Ihr habt im Balmacara gestohlen, und ich sollte Euch hinrichten lassen. Ihr seid nur ein gemeiner Dieb. Ich hätte es besser wissen müssen.«
»Da hat sie recht, Junge«, bestätigte Denlin vom Taverneneingang her.
Randur drehte sich zu dem alten Mann um. Zum Glück war in der schmutzigen Seitengasse niemand sonst in Hörweite. »Ihr seid ein echter Freund, Denlin.«
Dann wandte er sich Eir erneut zu, seufzte, versuchte, sich eine brauchbare Antwort zurechtzulegen, und zuckte dann die Achseln. »Ihr habt recht, ich habe gestohlen. Vielleicht kann ich es erklären. Doch ich sollte Euch vor Sonnenaufgang in den Palast zurückbringen. Hier ist es nicht sicher.«
»Ich denke, ein gemeiner Dieb ist der Letzte, der für meine Sicherheit verantwortlich sein sollte, findet Ihr nicht?« Sie verschränkte die Arme und funkelte ihn an.
Randur holte tief Luft. Pass auf, was du sagst, Rand! Du hast dich in die Stadt geschwindelt – gib acht, dass dein Mundwerk dich nicht gleich wieder rausfliegen lässt!
Denlin trat zwischen die beiden. »Ist das die, äh, für die ich sie halte? Ist das Jamur Eir?«
Eir starrte Randur Unterstützung heischend an.
»Weiter«, ermunterte Randur sie.
»Ja, ja, das ist sie«, bestätigte Eir. »Und wer seid Ihr?«
»Ein Freund dieses Burschen – das ist alles.«
»Auch ein Dieb?«, fragte Eir.
»Aber nein! Obgleich mich wohl manche so nennen, vor allem da drin.« Denlin wies Richtung Taverne, kratzte sich dann am Kopf und zerzauste sein strubbeliges graues Haar noch mehr. »Nein, ich bin eher ein Handlanger. Ich tue ein bisschen dies, ein bisschen das. Falls Ihr etwas braucht, finde ich es für Euch – natürlich nicht kostenlos. Stets zu Diensten, Mylady.« Er verbeugte sich.
Randur wusste nicht recht, ob er sie verhöhnte. »Den, ob Ihr uns ein wenig allein lassen könntet?«
»Was Ihr zu sagen habt«, fuhr Eir ihn an, »könnt Ihr hier offen aussprechen.«
Randur blickte seufzend zwischen den beiden hindurch. »Ich weiß nicht, wie es mit euch beiden steht, aber ich brauche einen Drink.« Er ging wieder in
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