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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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den ›Garudakopf«.
    Denlin kratzte sich im Schritt und folgte ihm brummelnd. »Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag.«
    »Was, wollt ihr mich hier draußen einfach stehen lassen?«, protestierte Eir.
    Randur wandte sich auf der Schwelle um. »Wenn Ihr Antworten wollt, kommt in mein Büro!«
    »Ja, ich bin ein Dieb«, gab Randur zu, nahm einen Schluck Bier und sah Eir dabei über den Tisch an. Sie umklammerte einen Becher mit verdünntem Wein, an dem sie nur ab und an nippte und dabei das Gesicht verzog, als würde sie an einem Klumpen Salz lutschen. »Aber ich stehle aus gutem Grund.«
    »Tut das nicht jeder Dieb?«, fragte Eir.
    »Da hat sie recht, Junge«, sagte Denlin und rülpste.
    »Danke, Denlin!« Randur funkelte ihn an, wandte sich dann wieder Eir zu und fuhr fort: »Ich stehle, weil ich das Geld brauche, um … « – er zögerte einen Moment lang, fand aber, er könne genauso gut alles erzählen – »… um meine Mutter vor dem Tod zu retten.«
    Eirs Miene wurde weich.
    »Dem Tod durch Tunthux«, setzte er hinzu.
    Denlin pfiff durch die Zähne. »Scheußlich.«
    »Was ist Tunthux?«, wollte Eir wissen.
    »Man nennt ihn den Langsamen Tod«, erklärte Denlin. »Es kann einige Jahre dauern, bis man daran stirbt. Am Ende blutet man aus allen Öffnungen, sogar aus dem Hintern –«
    »Das reicht, Denlin! Wir müssen nicht alles hören.« Zu Eir gewandt, fuhr er fort: »Meine Mutter hat eine tödliche Krankheit, und ich bin nach Villjamur gekommen, um bei den Orden ein Heilmittel zu finden. Dafür brauche ich Geld, versteht Ihr, da die Kultisten nichts kostenlos tun. Und darum stehle ich Schmuck und Edelsteine von gewissen Frauen, denen ich … Befriedigung verschaffe. Wie Ihr sagtet, kann ich schließlich nicht den Balmacara plündern. Also … «
    »Also verführt Ihr anfällige Hofdamen ihres Reichtums wegen«, höhnte Eir. »Wie ehrenwert von Euch!«
    »Im Gegenzug bekommen sie viel von mir. Ich bin ihnen körperlich und seelisch zugewandt, wenn auch nur für kurze Zeit. Diese Aufmerksamkeit gibt ihnen gewiss niemand sonst – ist das denn so schlecht? Dass ich sie befriedige, meine ich? Außerdem würde niemand etwas dagegen sagen, wenn ich eine junge Frau wäre, die von ihrem deutlich älteren Geliebten ab und an ein Schmuckstück annimmt.«
    »Das ist etwas anderes«, wandte Eir ein, klang aber nicht gerade überzeugt.
    »Tatsächlich?«, fragte Randur. Er nahm seinen Krug und trank einen Schluck. »Ist es wirklich etwas anderes, wenn ein Mann für solche Dienste Bezahlung erwartet?«
    »Hurerei«, meinte Denlin. »Darum geht’s. Immerhin sind gewöhnliche Nutten ehrlicher, was das Annehmen von Geld angeht. Und ich kannte einige entzückende Exemplare … «
    »Das reicht, Denlin.« Randur fragte sich, ob der Alte je den Mund halten würde. »Ich gebe vernachlässigten Frauen bloß die dringend benötigte emotionale und körperliche Zuwendung und nehme dafür eine inoffizielle Gebühr auf einem grauen Markt. Und der Schmuck, den ich stehle, dient dazu, meiner Mutter das Leben zu retten. Auch wenn Ihr darüber den Stab brechen solltet, halte ich mein Verhalten für moralisch gerechtfertigt. Ich versuche, meiner Mutter das Überleben zu sichern, doch mir fehlt dafür noch immer einiges Geld.«
    »Wie viel braucht Ihr?«, fragte Eir unvermittelt.
    Randur versuchte ihre Miene zu deuten und erwiderte: »Vierhundert Jamún.«
    Während er einen Schluck nahm, sagte sie: »Die kann ich Euch besorgen.«
    Fast hätte er sein Bier ausgespuckt. »Wirklich?« Er wollte ein Gentleman sein und ihre Freundlichkeit ablehnen, doch trotz seiner natürlichen Höflichkeit und seines Stolzes vermochte er es nicht, da das Leben seiner Mutter von diesem Geld abhing.
    Von seinem Stolz war in diesem Moment nicht viel zu spüren.
    »Ja«, erwiderte Eir. »Vorausgesetzt, Ihr habt wirklich die Wahrheit gesagt.«
    »Denkt Ihr, ich würde mir so was ausdenken? Falls Ihr das annehmt, könnt Ihr Euer dämliches Geld behalten.« Randur stand auf und schob sich aus seiner Bank. Ein paar Gäste drehten sich neugierig um. »Was gafft ihr so?«, fragte er.
    Auch Eir erhob sich. »Randur, bitte nicht! Es tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint.«
    Er musterte sie kurz und setzte sich wieder. Ob er die Taverne wirklich verlassen hätte? Dessen war er sich nicht sicher, doch es handelte sich hier um eine theatralische Geste, wie die Situation sie eben erforderte. Und es war Zeit, Eir etwas Misstrauen zu zeigen, denn warum war sie

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