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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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streng mit dir!«
    Sie stand auf, entzündete Laternen und lindernde Räucherstäbchen und wartete, bis er sich fasste. Er merkte, dass ihm seine Verletzlichkeit ihr gegenüber kein Unbehagen bereitete, im Gegenteil! Bald fühlte er sich besser, bis seine Misserfolge als Sohn irgendwie nicht mehr ganz so wichtig wirkten.

KAPITEL 40
    In seinem langen Leben hatte Jeryd bisweilen Angst gehabt: als er in einer Gasse in die Enge getrieben worden war und eine Klinge an der Kehle spürte; während er in seiner Jugend als verdeckter Ermittler arbeitete und Banden auskundschaftete; als er Verdächtige über vereiste Brücken und gefährliche Dächer jagte. Wenn man mit Verbrechen zu tun hat, rechnet man mit so etwas.
    Als er nun aber darauf wartete, dass Marysa aus ihrem Schlummer erwachte, war er wirklich ängstlich.
    Wie unter einem Zauberbann hatte sie zwei Nächte lang durchgeschlafen. Sein Leben hing in der Schwebe, während er auf ihr Erwachen wartete. Ihr Fehlverhalten hatte er ihr längst vergeben. Was machte es schon, dass sie ein kurzes Techtelmechtel mit einem anderen gehabt hatte? Das wäre nicht das Erste, woran er dächte, wenn sie nur endlich die Augen aufschlüge. Er hatte sich vorgenommen, so zu tun, als hätte es diesen Schritt vom Wege nie gegeben. Er liebte sie so sehr, dass ihm seine Strategie innere Qualen von ganz ungekannter Heftigkeit bereitete.
    Als das Tageslicht schon milchig durchs Fenster sickerte, betrachtete er all den Trödel im Schlafzimmer, der natürlich durchweg ihr gehörte. Jeryd war keiner von denen, die viel Zeug ansammelten. Sobald er mit einer Sache fertig war, verschwand sie. Bevor sie zu ihm gezogen war, hatte er in nahezu kahlen Zimmern gelebt. Sie hatte diese Leere systematisch gefüllt und im Laufe der Jahre beständig eingekauft, vor allem Antiquitäten. Vielleicht war vieles davon Gerümpel, doch es war ihr Gerümpel.
    Er hatte sich im Lauf der Zeit gern daran gewöhnt, dass sie sein früher so puristisches Heim mit Gegenständen von ungewissem Zweck gefüllt hatte, und war oft einfach durchs Haus gestrichen, um Dinge zu entdecken, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren. In einem grundsätzlichen Sinn schien dies auch etwas über ihre Beziehung auszusagen.
    Als er ihr die Hand liebevoll auf den Arm legte, bewegte sie sich endlich, und ihre Finger schlossen sich behutsam um die weißen Laken. Sofort war er hellwach und bewegte die Lippen zu einem lautlosen Dankgebet an Bohr.
    Sie richtete sich auf und starrte ihn abwesend an.
    »Guten Morgen! Du hast zwei Nächte durchgeschlafen«, begann er. »Hoffentlich hat dir niemand einen Liebestrank verabreicht. Davon gibt es heutzutage ja jede Menge.«
    »Zwei Nächte?«, fragte sie und musterte ihn, wobei ihr offenkundig vieles durch den Kopf schoss. »Ich hatte einen ganz sonderbaren Traum … Mir träumte, ich kam nach Hause, und du warst richtig zornig. Seltsam, wie wirklich das alles erschien. Das Bewusstsein kann einem schreckliche Dinge vorgaukeln … «
    Nach diesen wenigen Worten wusste er, dass er gerettet war. Jetzt brauchte er sich nur noch zu verhalten wie immer.
    Jeryd war klar, dass er das Haus bald verlassen musste. Kleinere Fälle häuften sich in seinem Büro, und noch immer hatte er den Mord an den beiden Ratsherrn zu lösen. An diesem Tag ärgerten ihn nicht einmal die Kinder der Gamall Gata und ihre kleine Schneeballarmee. Jerrryd!
    Auf dem Weg durch die vereisten Straßen Villjamurs war ihm überaus seltsam zumute. Seine Lider waren schwer, und er nahm die vielen Vorbeigehenden kaum wahr. Die Totenklage einer Banshee hallte wie aus seltsamer Ferne herüber. Sein Denken war im Nirgendwo der Schwermut gefangen.
    In der Sonne löste sich ein Eiszapfen von einem hohen Sims und zersprang vor seinen Füßen auf dem Pflaster, doch nicht einmal das konnte seine innere Erstarrung aufbrechen.
    Als er den Sitz der Inquisition erreichte und die Tür zu seinem Büro öffnete, fand er darin Tuya Daluud vor. Sie stand mit dem Rücken zu ihm.
    Als sie den Kopf wandte, beschrieb ihr fülliger Schopf einen verführerischen Bogen. Im Halbdunkel war ihre Narbe kaum zu erkennen. Sie trug einen dicken schwarzen Mantel, war dezent parfümiert und starrte ihn schweigend an, was ihm Unbehagen bereitete. Ihre Augen waren rot und wirkten ein wenig wund, als hätte sie geweint.
    »Kann ich Euch helfen?«, fragte Jeryd schließlich und wies auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
    Sie schüttelte den Kopf, doch er wusste nicht, ob sich

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