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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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aber: Konnte Jeryd das verhindern?
    Schritte näherten sich oben auf der Mauer, und er sah Ermittler Fulcrom kommen. Der Wind frischte auf, blies über die Tundra und fegte ihm ins Gesicht, was ihm zu ganz neuer Wachheit verhalf. Trotz der dicken Rumelhaut schauderte ihn, und er schlang sich den Umhang fester um den Leib.
    »Jeryd, Ihr wart in den letzten Tagen so anders, dass ich mir allmählich Sorgen um Euch mache.« Inzwischen war es ungewöhnlich, dass jemand in Villjamur – noch dazu ein anderer Rumel – so etwas äußerte, doch Jeryd wusste, dass er diesem Kollegen trauen konnte. Also erzählte er von den Ereignissen der letzten Zeit: von Tryst und Tuya, von der Wahrheit über die Ermordung der beiden Ratsherrn und davon, was diese Untaten mit einer Verschwörung verband, die auf die Beseitigung der Flüchtlinge zielte. Hinter alldem steckte der Geheimorden der Ovinisten.
    Er war eindeutig in die Sache verwickelt.
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Fulcrom nach kurzem Schweigen. »Aber wer im Rat ist der Kopf der Ovinisten?«
    »Urtica«, erwiderte Jeryd unverblümt.
    »Kanzler Urtica?«, fragte Fulcrom bestürzt.
    »Die Hure beharrt darauf, dass er daran beteiligt ist. Erstaunlich, was Männer Nutten so alles erzählen, wenn sie mit ihnen geschlafen haben.«
    »In solchen Dingen kenne ich mich nicht aus«, bekannte Fulcrom.
    Jeryd zwang sich ein Lachen ab. »Jedenfalls wird bald etwas geschehen, doch ich weiß nicht, wann. Gut möglich, dass es schon so weit ist.«
    »Kaum zu glauben, dass sogar unsere Regierungsspitze in derart üble Machenschaften verwickelt ist. Das ist widerwärtig, wenn man bedenkt, dass unsere Bürger diese Leute gewählt haben.«
    »Dem Rat war immer an der Illusion gelegen, dass Wahlen der Bevölkerung politische Mitsprache geben, obwohl er doch die öffentliche Meinung kontrolliert, indem er zum Beispiel Angst vor hilflosen Flüchtlingen schürt. Das soll Demokratie sein? Von wegen! Aber in diese Ordnung würden die Ovinisten gut passen. Schlimmer allerdings ist, dass dieser Orden so viele mächtige Mitglieder angezogen hat. Sie könnten überall wirken, sogar in der Inquisition.«
    »Glaubt Ihr wirklich, dass unsere Vorgesetzten bereits davon wissen? Von der Sache mit den Flüchtlingen also?«
    »Möglich. Und ich will nicht, dass Tausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder durch hinterhältige Machenschaften meines Kaiserreichs sterben. Ich will mich davon auf jeden Fall distanzieren. Es ist mir egal, was geschieht, doch wir müssen das Richtige tun und uns als anständig erweisen.«
    Anständig …
    Er mochte die Vorstellung, es gebe gewisse sittliche Imperative und die Herrscher von Villjamur seien nicht dem moralischen Nihilismus verfallen. Er verfocht die Ansicht, das Gute sei zu tun und anzustreben, das Böse dagegen zu meiden. Manche Dinge erschienen Jeryd als ganz natürlich und als wesentlicher Teil des Daseins.
    Ermittler zu sein, erleichterte es, an das Gesetz zu glauben.
    »Was können wir tun?« Fulcrom stützte die Hände auf die Mauer und blickte über das Flüchtlingslager hinweg. »Wenn so hoch oben etwas vorgeht … dann sind wir auf uns selbst gestellt.«
    »Wahrscheinlich. Aber vielleicht kennt Ihr andere, denen wir trauen können?«
    »Klar. Einige anständige Kollegen in der Inquisition. Zur Stadtwache habe ich übrigens auch gute Verbindungen.«
    »Prima. Ich werde jetzt Waffen organisieren. Bittet derweil alle vertrauenswürdigen Mitarbeiter der Inquisition, auf ungewöhnliche Verlegungen von Flüchtlingen zu achten. So viele vor der Stadt lagernde Leute anderswohin zu schaffen, ist aufwändig – es dürfte also einiges zu sehen sein. Doch wir haben Gesetz und Moral auf unserer Seite; sollte also jemand herausfinden, was wir tun, wird es nicht leicht sein, uns aufzuhalten.«
    »Sofern sie uns nicht vorher umbringen«, gab Fulcrom zu bedenken.
    »Ja, sofern sie uns nicht umbringen.«
    »Solange wir nicht wissen, wie Urtica dieses Massaker begehen will, bleibt es allerdings schwierig, seine Pläne zu vereiteln. Wie soll man so viele Leute beseitigen, ohne dass andere davon Wind bekommen?«
    Jeryd schwieg und fand keine einleuchtende Antwort auf diese Frage.
    Es war lange her, dass Jeryd zum letzten Mal an einer bewaffneten Mission hatte teilnehmen müssen, und nie war es um so viel gegangen. Mit der Armbrust hatte er zuletzt vor Johynns Geburt geschossen, und zwar auf einen korrupten Verbund von Stadtwächtern, die ihr Amt missbraucht hatten, um junge

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