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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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an einem Tisch nahe der Tür saß, drang ein leichter Parfümduft zu ihm. Er ging an den Tresen. Das Mädchen hinter der Auslage war klein, blond und hübsch – ein geeignetes Ziel, wenn er nicht andere Dinge im Kopf gehabt hätte. Er bestellte einen Wacholderbeerensaft, wie man ihn auf Folke zu keltern pflegte.
    Als das Mädchen ihm das Glas reichte, sagte er: »Danke! Euer Haar gefällt mir.«
    »Wirklich?«, fragte sie mit großen Augen.
    »Umwerfend.« Kaum durfte er sich ihrer Aufmerksamkeit sicher sein, beugte er sich über den Tresen und sah sie wie verzaubert an. »Hört mal, Miss, Ihr kennt in dieser Gegend vermutlich keine Kultisten, oder? Ich bin neu hier, und es ist sehr wichtig.«
    »Da drüben in der Ecke sitzen zwei. Und gleich hier vorn noch einer. Und dort.« Sie zeigte nacheinander auf die Genannten. »Aber wenn Ihr mich fragt, solltet Ihr Euch von ihnen fernhalten.«
    »Danke!« Er gab ihr einen Lordil für das Getränk. »Stimmt so.«
    Er musterte die Gestalten, die sie ihm gezeigt hatte. Der Mann, der dem Tresen am nächsten saß, war schlank, und sein schwarzer Spitzbart betonte die feinen Gesichtszüge noch. Randur trat an seinen Tisch. »Ist hier noch frei?«
    Der Mann stierte auf sein Essen. »Wenn da niemand sitzt, vermutlich ja.«
    Randur setzte sich und nippte an seinem Getränk. Unterm schwarzen Hemd des anderen funkelte ein kleines Medaillon mit einem seltsamen Symbol aus zwei großen Cs, von denen das eine seitenverkehrt war; beide Bögen fassten einen zwischen die Buchstaben gesetzten Diamanten.
    »Das Mädchen am Tresen sagte, Ihr seid Kultist«, begann Randur.
    Der Angesprochene sah auf. »Was geht Euch das an?«
    Randur zog die Münze heraus, die er vor vielen Jahren auf Folke bekommen hatte, und legte sie neben den Teller des Mannes. Der hörte sofort auf zu essen. Randur nippte weiter an seinem Saft.
    Der Kultist musterte ihn scharf. »Und wie soll ein Inseljunge an so eine Münze gekommen sein?«
    »Die hat mir eine von Eurem Haufen vor langer Zeit geschenkt«, erklärte Randur. »Sie nannte sich Papus.«
    »Sie gehört nicht«, erwiderte der Mann energisch, »zu meinem Haufen, wie Ihr Euch auszudrücken beliebt.« Etwas an seiner Reaktion ließ Randur vermuten, Kultisten seien längst nicht die verschworene Sippschaft, die alle Welt in ihnen zu sehen pflegte.
    »Dann seid Ihr also kein Kultist?«, fragte Randur.
    »Aber natürlich, doch sie gehört nicht zu meinem Orden.« Er nahm einen weiteren Bissen.
    »Ah ja!« Randur streckte die Hand nach der Münze aus.
    Der Kultist betrachtete die frische Wunde. »Streit gehabt?«
    »Ich hab’ ihn nicht gesucht«, murmelte Randur und nahm den Arm vom Tisch.
    »Jungen vom Lande sollten sich hier vorsehen«, meinte der Kultist.
    »Ich kann auf mich aufpassen.«
    »Das sagen alle, doch keinem gelingt es. Wie heißt du, Bursche?«
    »Randur Estevu.«
    »Gut, Randur Estevu, dann geb ich dir jetzt einen kostenlosen Tipp.« Der Kultist stand auf. »Am Ende dieser Straße steht ein Tempel mit einer Flügeltür aus Eichenholz. Dort klopfst du kräftig und zeigst ihnen deine kleine Münze. Vielleicht hast du Glück.«
    Randur erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Danke, äh … Verzeihung, aber ich habe Euren Namen nicht verstanden.«
    »Ich hab’ ihn Euch auch nicht genannt.« Der Kultist warf sich seinen Umhang über und verließ das Bistro.
    Da ihr letzter Kunde nicht aufgetaucht war, hatte Tuya eine Stunde frei und begab sich ans Malen. Von der gegenwärtigen Stimmung der Stadt inspiriert, begann sie ein neues Bild. Sie wollte etwas Fantastisches malen, in dem zum Ausdruck kam, dass die Bewohner sich in ihren Wohnungen eingesperrt fühlten. Vielleicht würde sie einen Vogel im Käfig schaffen.
    Sie war nackt, um ihre Kleider nicht mit Farbe zu bespritzen, hatte ihren dichten Rotschopf hochgesteckt und stellte die Staffelei so, dass sie aus dem Fenster über die Stadt schauen und sich die Türme, Brücken und Pterodetten am Himmel einprägen konnte. Wasser spritzte von den Dächern, und plötzlich schlug es vom Glockenturm. Sie fühlte sich heiter, da all diese Elemente tröstlicherweise wie in geheimem Einverständnis zusammenwirkten.
    Mit Messer und breitem Pinsel trug sie blaue Paste auf eine kleine Leinwand auf. Die Farbe hatte sie selbst angerührt. Zwar benutzte sie die hiesigen Pigmente, mischte sie aber mit einem Stoff, den nur sie kannte – jedenfalls in Villjamur. Ein Kultist, der ihre Dienste in Anspruch nahm, wenn er

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