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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Stadt jedenfalls viel zu wenige: Vielleicht fühlten sich jüngere Leute irgendwie bedroht. Oder die Menschen empfanden sich »ab einem gewissen Alter« als aussterbende Art und hielten deswegen zusammen. Wie auch immer: Es war rührend, solche Höflichkeit noch beobachten zu können.
    Die Winterstarre und die stetig sinkenden Temperaturen waren das allgegenwärtige Gesprächsthema. Daneben schnappte er mitunter Gerüchte über ferne Inseln des Kaiserreichs auf. Und Geschwätz über Kultisten, die sich seltsam verhielten …
    Diese Unterhaltung erweckte sofort sein Interesse.
    »… du solltest dich da nicht aufhalten. Kultisten bringen einem nur Probleme.«
    »Aber ganz gleich, was er berührt: Stets sprüht es purpurne Funken, glaub mir«, erklärte ein dunkelhäutiger Bursche einem Mann, der vermutlich sein Vater war. Die beiden hatten etwas Vogelhaftes, das sich vor allem an der Nase zeigte.
    »Jedenfalls war es weit weg von allen ihren Tempeln.«
    »Halt dich davon fern«, wiederholte der Ältere. »Ich habe ihnen und ihren verdammten Relikten nie getraut. Das ist alles dumme Magie, wenn du mich fragst.«
    Die Vermieterin kehrte zurück. »Ihr habt Glück. Wir haben ein Zimmer. Es liegt gleich neben meinem – gebt Euch also Mühe, mich am Abend nicht wach zu halten.«
    Randur beugte sich vor und flüsterte: »Sofern Ihr versprecht, mich nicht wach zu halten.«
    »Ihr Jungs von den äußeren Inseln!« Sie winkte ab und unterdrückte ein Lächeln. »Ihr seid alle gleich. Also kommt! Schafft Eure Taschen rein, und ich zeige Euch den Weg. Wie heißt Ihr?«
    »Randur Estevu.« Er eilte ihr nach. »Ihr scheint gern zu reiten.«
    Ein einfaches Zimmer – nur ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. An den Wänden ein paar schäbige Drucke mit Inselkunst. Das Fenster ging zur Rückseite des Gebäudes hinaus, was Randur sogar lieb war, da er nicht am frühen Morgen von Händlern geweckt werden wollte, die auf dem Weg zum Markt waren.
    Er machte sich nicht die Mühe, viel auszupacken, da er ein fast masochistisches Vergnügen daraus zog, all seine Habseligkeiten in ein paar kleine Taschen verstaut zu haben. Das bot ihm eine ungekannte Freiheit: die herrliche Vorstellung, aufstehen und jederzeit überallhin gehen zu können. Und mehr noch: Er führte das Leben eines anderen. Und zwar nahe am Abgrund.
    Nach einem Mittagessen aus Fisch und Wurzelgemüse wanderte er eine Weile ziellos herum und nahm einfach nur die Atmosphäre Villjamurs auf. Er merkte den Einwohnern dieser geschäftigen Stadt eine gewisse Schwermut an. Das war nicht überraschend, da sie mehr oder weniger als Gefangene hier würden leben müssen, weil die Stadt die beste Aussicht bot, die Eiszeit zu überstehen. Familien wurden zerrissen oder fanden wieder zusammen, Arbeitsstellen gingen verloren, und die Leute sprachen über »Höhlen«, in denen die meisten Einwohner schließlich leben müssten. Über die Kultisten dagegen schien kaum jemand zu reden.
    Er würde jemanden fragen müssen.
    »Verzeihung, Madam«, wandte er sich an eine ältere Dame mit einem Korb voller Fische, »ich suche Kultisten.«
    Ihr Blick wurde grimmig, und sie spuckte vor ihm aus, ehe sie ihn stehen ließ. Nach einigen weiteren Vorfällen dieser Art begriff Randur, dass Kultisten nicht gerade beliebt waren, doch schließlich fand sich ein kleines Mädchen bereit, ihm eine Antwort zu geben.
    »Ihr findet sie knapp unterhalb des Balmacara. Fragt dort oben am besten wieder nach dem Weg.«
    Randur lächelte das etwas schmuddelige Mädchen an, gab ihr einige Drakar und hoffte, sie würde sie klüger ausgeben als er.
    Er ging weiter.
    Ein schwarz gefiederter Garuda mit gestutzten Flügeln war in einem Hauseingang niedergesunken. Er hatte Lumpen um die Beine und zog nervös an einem Aronkraut-Glimmstängel. Zu seinen Füßen stand ein Hut, und ein Schild bat um Spenden für einen ehemaligen Soldaten. Im Vorbeigehen warf Randur ihm einige Münzen in den Hut. Der Vogelmann war dankbar und antwortete ihm in einer Gebärdensprache, die Randur nicht verstand.
    »Schon in Ordnung«, murmelte er und fragte sich, was aus denen wurde, die dem Kaiserreich gedient hatten.
    Hinter der nächsten Ecke traten zwei Männer aus einer Gasse. Sie trugen braune Uniformjacken und schwere Stiefel; Umhänge hatten sie nicht; sie wirkten ungewaschen, als würden sie auf der Straße leben. Randur schätzte beide auf dreißig bis vierzig Jahre, war sich da aber nicht sicher.
    »Was gaffst du mich so an?«, knurrte der

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