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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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»Was ist?«
    »Da drüben, etwa fünfzig Schritt entfernt. Das sieht aus wie Flügelkommandeur Vish.« Der Soldat wies nach Norden, wo jenseits des Wäldchens eine Gestalt zu erkennen war, aus deren Rücken Flügel ragten.
    »Gebt mir Deckung, Soldat!«, wisperte Brynd und machte sich zu dem Garuda auf. Beim Näherkommen sah er, dass Vish das linke Bein mit den Händen hinter sich herzog. Einer seiner Flügel hing arg gerupft seitlich herunter.
    Das Fleisch war in großen Stücken von seinem Oberkörper entfernt worden, als hätte es jemand verschlungen, und seine Federn waren glitschig und schwer von Blut. Brynd behielt den Säbel in der Hand, als er dem Garuda in den Schein des Lagerfeuers zurückhalf. Dort legten sie ihn vorsichtig auf den Boden und verbanden ihn mit Stoffstreifen, die sie aus einem Umhang gerissen hatten. Schließlich setzte Brynd Arzneipulver ein, um den Garuda zu betäuben und seine Qualen zu lindern, während Nelum half, die Wunden zu vernähen.
    Ich hätte besser vorbereitet sein sollen. Was ist hier bloß los?
    Der Flügelkommandeur verblutete in der Nacht, ohne seine Geschichte erzählt zu haben.
    Es tröstete Brynd, dass er schmerzlos gestorben war. Keiner hatte in der Nacht ein Auge zugetan, und sie verbrannten die Leiche bei Sonnenaufgang. Als sie durch die spärlich bewaldete Tundra ritten, blickten sie sich um und sahen, wie eine dünne Rauchfahne die Seele des Garudas forttrug. Brynd spürte die bitterkalte Luft auf der vormals verschwitzten Stirn. Immerhin erinnerte sie ihn daran, noch am Leben zu sein.

KAPITEL 9
    Ermittler Jeryd kam trüben Blicks in sein Büro. Die Sonne war vor Kurzem aufgegangen, aber noch nicht am Himmel zu sehen. Sein Kopf war recht klar, was bei dem vielen Whisky am Vorabend eine beeindruckende Leistung war. Er übertrieb es nie und wusste immer, wann er aufhören musste. Zu oft hatte er gesehen, was aus Alkoholikern wurde, und so achtete er darauf, dass ihm das nicht auch widerfuhr. Nein, wer ständig trank, wollte auf diese Weise sein Leben kontrollieren, als wäre das die einzige Lösung. Jeryd dagegen suchte keine Kontrolle, nur eine Nacht der Flucht. Die zweihundert Jahre seines Daseins hatten ihn gelehrt, dass man die Welt ringsum nicht zu kontrollieren vermochte.
    Er ließ sich ächzend auf seinen edlen Holzstuhl sinken und überlegte kurz, seinen Beruf aufzugeben. Wie war es so weit gekommen? Sein Rumel-Schwanz war steif, und sein Körper schmerzte. Er stützte den Kopf in die Hände und stierte auf den Schreibtisch, bis der Umschlag darauf klar sichtbar wurde.
    Marysas Handschrift.
    Nervös nestelte er an dem Schreiben, riss es auf …
    … las es unruhig.
    Sie wollte ihn Ende der Woche zum Abendessen treffen, in einem Bistro, das beide schätzten.
    Er warf den Brief auf den Tisch und lehnte sich zurück. Sie wollte ihn also treffen? Das war immerhin ein Anfang. Ins Bistro Júula hatte er sie nach der Trauung in einer Jorsalir-Kirche geführt. Es war ein dämmriges Lokal mit Holzboden und geduldigen Kellnern, und die Topffarne gaben den Tischen eine gewisse Intimität.
    Er hörte vom Glockenturm dreizehn Schläge: Es war schon Mittag, und er war mit Tryst verabredet, um sich den toten Ratsherr Ghuda genauer anzusehen.
    Jeryd fluchte, da ein Pferd ihm eisiges Pfützenwasser auf die Kniehose spritzte. Tryst hatte größeren Abstand zur Fahrbahn gewahrt als Jeryd und musterte ihn milde belustigt, während Pferd und Kutsche verschwanden.
    Der Basar auf der anderen Straßenseite war voller Besucher. Im kalten Schatten architektonischer Zumutungen säumten Dutzende Verkaufsstände die Pflasterstraßen um diesen Markt, der nicht fern vom Ratssaal lag. Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen warf der Ermittler beiläufige Blicke auf die Lebensmittel aus den Dörfern des Umlands, wo Kultisten das Getreide behandelt hatten, damit die Ernte das schlechte Wetter überstand.
    Als Jeryd eine Auslage mit Töpfen, Vasen und Ornamenten bemerkte, nahm er sich vor, in der Mittagspause einige Antiquitätenhändler im teuren Handelszentrum der Stadt zu besuchen. Womöglich fände er etwas Interessantes für Marysa, mit dem er sie beim Abendessen würde beeindrucken können. Er ging weiter und führte Tryst auf einem Wendelgang auf die nächsthöhere Ebene der Stadt.
    In einigen Straßen dort oben schwärmten riesige Fliegen mit handspannengroßen Flügeln, die gerade erst in die Stadt gekommen sein mussten. Sie suchten Nahrung bei den Ställen der Kanzlerpferde

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