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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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ziehen.
    Lupus schoss noch mehrere Pfeile ab, die die zuckenden Gestalten an den Boden hefteten. Doch erneut versuchten sie, sich mit abrupten Bewegungen zu erheben.
    »Ziel auf die Beine«, rief Brynd, hetzte zur Kutsche, ertastete eine der am Fahrzeugboden befestigten Armbrüste, kehrte zu Lupus zurück und begann auf Köpfe und Oberkörper zu feuern.
    Sie schossen, bis die Gestalten reglos dalagen.
    »Gebt mir Deckung!« Brynd sauste auf die Toten zu und zerrte einen ins Licht des Lagerfeuers. Kurz darauf hatten seine Mitstreiter die beiden anderen ebenfalls in den Schein der Flammen geschleift.
    Brynd riss allen dreien die zerfetzten Kleider auf. »Bei Bohr – die Männer, die wir umgebracht haben, waren bereits tot.«
    »Seid Ihr Euch da sicher?«, fragte Nelum und handelte sich einen verärgerten Blick seines Kommandeurs ein. Ja, ich bin mir sicher. Diese Wesen sind mausetot.
    »Seht Euch den an! Seine Haut ist eiskalt und sogar bei dieser Beleuchtung blau. Er blutet nicht einmal; das sind nur Reste schwarzen Schleims. Der ist seit Tagen tot, wenn nicht länger.«
    Die Soldaten sprachen kein Wort.
    »Draugr«, sagte Nelum schließlich.
    »Was?«, wollte Apium wissen.
    »Draugr. Untote . Angeblich mythische Wesen. So sieht’s jedenfalls aus. Nach einiger Zeit erwachen sie vermutlich erneut zum Leben. Wir sollten sie also besser endgültig erledigen, Kommandeur.«
    Noch während er sprach, begann eine der Gestalten zu zucken, und ihre Finger bewegten sich schwach. Seufzend schritt Brynd zur Kutsche, zog eine Langaxt darunter vor, schlug mit erbarmungsloser Brutalität wieder und wieder auf die erneut zum Leben erwachenden Leichen ein und ließ dabei seiner Enttäuschung freien Lauf. Apium schloss sich seiner Raserei bald mit einer zweiten Axt an, bis das Lager mit Knochen und Schädelstücken buchstäblich übersät war. Dann sammelten sie diese Reste zusammen und trugen sie weg. Brynd hoffte inständig, dass die Wesen sich von dieser Zerstörung nicht erholten.
    »Also«, begann er angewidert, da er merkte, dass er mit kleinen Fleischstücken bedeckt war, »könnt Ihr mir bitte sagen, was es mit diesen Draugr auf sich hat, Leutnant?«
    Nelum hatte beim Erklären seit je etwas Gelehrtes an sich, und das war nun ein Trost, denn es bedeutete die Rückkehr zur Normalität. Der Leutnant begann beiläufig und rückte nur langsam vor. »Einige volkskundliche Sammelwerke berichten von der Sichtung von Untoten, vor allem auf Inseln wie Maour und Varltung. Meist werden diese Berichte alten Mythen zugeschrieben. Deshalb war wirklich nicht damit zu rechnen, diesen Wesen hier und jetzt zu begegnen. Nach den Beschreibungen, die ich in den Bestiarien des Archipels gelesen habe, wurden sie zuletzt in der weit zurückliegenden Máthema-Kultur gesichtet, also vor sechzigtausend Jahren.«
    »Aber was genau sind diese Wesen?«, unterbrach Brynd ihn ungeduldig.
    »Das sage ich ja: Untote . Leichen, die wieder zum Leben erwachen. In der Regel muss man sich ihrer auf bestimmte Weisen entledigen, und ich schätze und hoffe, dass Eure kleine Zergliederung für das Erforderliche gesorgt hat.«
    »Und was machen diese Untoten hier auf Jokull?«, mischte Apium sich ein. »Wie sind sie überhaupt auf die Stamminsel des Kaiserreichs gelangt? Wenn etwas derart Böses hier an Land kommen will, hätte die Küstenwache das doch bemerken müssen, oder?«
    »Da bin ich ebenso überfragt wie Ihr, Hauptmann«, bekannte Nelum. »Aber vermutlich stellt Wasser für sie kein Hindernis dar. Vielleicht sind sie aber gar nicht gekommen, sondern waren von Anfang an da.«
    »Das kann nur das Werk von Kultisten sein«, sagte Brynd entschieden. »Erinnert Ihr Euch noch der Gestalt, die wir in Dalúk gesehen haben, Hauptmann?«
    »Beim Barte Bohrs«, keuchte Apium.
    »Hübsch gesagt, Hauptmann«, versetzte Nelum. »Aber ich sehe nicht, wie und warum das geschehen sein soll.«
    »Wie? Sie haben einfach ein Relikt gefunden, das diese Arbeit erledigt. Doch warum sie das getan haben, vermag ich nicht zu beantworten.« Apium seufzte. »Na, so viel zum Thema ruhiger Abend.«
    Nelum verzog das Gesicht. »Ich verstehe nicht, was sie hier draußen machen und warum sie uns angreifen. Nach meinem Eindruck handeln sie aus einem primitiven Instinkt.«
    »Selbst Gheele ängstigen sich vor ihnen«, bemerkte Brynd. »Und das will was heißen. So viel Blut und kein Gheel in Sicht.«
    »Kommandeur«, flüsterte Lupus dringlich.
    Brynd trat zu ihm und spähte in die Finsternis.

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