Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
schmückten alle Wände und Türen. Goldenes und silbernes Laub glitzerte an Gewölbebögen und Bilderrahmen. Böden und Kamine waren mit schwarzem Marmor gefliest, und kunstvolle Laternen erhellten den Hauptgang, in dem ein Stück weit entfernt Schritte hallten.
Hier könnte ich mich wirklich zu Hause fühlen , dachte Randur. Dieser luxuriöse Lebensstil kommt meinem feinen Geschmack sehr entgegen.
Zwei andere Wächter geleiteten ihn in ein Vorzimmer. Binnen Sekunden traten weitere Wächter ein und musterten ihn. Randur fühlte sich unbehaglich und fingerte erneut nach seinen gefälschten Papieren. Plötzlich sah er ein junges Mädchen trotzig durchs Spalier der Wächter nahen. Sie marschierte ausgreifend und mit fließenden Hüftbewegungen auf ihn zu. Schwarzhaarig war sie und wirklich süß, wenn auch ein wenig unschuldig für seinen Geschmack.
Sie blieb stehen und funkelte ihn an.
»Morgen, Mädchen!«, sagte er und hielt ihr seine Papiere hin.
Wortlos warf sie einen kurzen Blick darauf. Er wusste genug über solche Mädchen, um seine Dokumente wieder in die Tasche zu stecken.
»Randur Estevu.« Mutig streckte er ihr die Hand entgegen. »Könnt Ihr mir zeigen, wo ich hinmuss.«
»Ich bin Jamur Eir«, verkündete sie und würdigte seine Hand keines Blickes. »Die Verwalterin von Villjamur.«
»Ah.«
»Ich nehme an, Randur Estevu, Ihr seid der Mann aus Folke.«
»Das bin ich.«
»Das bin ich, Mylady «, fuhr sie ihn an. »Bringt man euch Insulanern keine Manieren bei? Oder erzieht man dort alle so hinterwäldlerisch wie Euch?«
Bei einem so mürrischen Gesichtsausdruck ist’s mit der Schönheit nicht mehr weit her , dachte Randur. Er musterte sie von oben bis unten und überlegte noch immer, ob er weiter mit ihr flirten sollte. »Ich bitte untertänigst um Verzeihung, Mylady .« Er war kein Freund von Formalitäten, sofern sie nicht die Möglichkeit eröffneten, ein Mädchen ins Bett zu kriegen.
»Ich hatte jemanden erwartet, der etwas älter ist.«
Was sollte er darauf sagen? Ein bisschen älter wofür? »Ich auch«, erwiderte er mit ausdrucksloser Miene.
»Habt Ihr ein Schwert? Ich sehe Euch keines tragen.«
»Nein, es hieß, mir sei nicht gestattet, es mit in den Palast zu bringen.«
»Na, das ist jetzt nicht eben hilfreich, stimmt’s? Wie soll ein Lehrer ohne Schwert unterrichten?«
Ein Lehrer? Beim Barte Bohrs – was soll ich lehren?
»Zum Tanzen braucht man wohl keins«, setzte Eir hinzu.
»Zum Tanzen?«
»Ja, zum Tanzen. Euch ist doch klar, dass Ihr Fechten und Tanzen zu unterrichten habt, oder?«
»Allerdings, Mylady.« Na prima, mehr brauch ich nicht zu tun! »Verzeiht, aber meine Gedanken waren kurz abgelenkt durch die, äh, Tiefe und Schönheit Eurer schimmernden Augen.« Einer der Wächter stöhnte leise auf, und Randur warf ihr ein strahlendes Lächeln zu.
»Eure Inseljungen-Öligkeit arbeitet offenbar tadellos.« Eir wandte sich ab. »Der Balmacara ist voller Männer. Glaubt nicht, dass ich nicht wüsste, wie ihr Hirn funktioniert. Nun kommt. Ihr könnt schließlich nicht den ganzen Boden volltropfen.«
Ein Diener führte Randur zu seinem Zimmer, einer hübsch geschmückten Kammer mit auf Bett und Boden drapierten Tierhäuten. Das Fenster war nicht verglast, doch ein dicker Wandteppich hielt den Wind ab, und ein prasselndes Feuer im Kamin sorgte für gleichmäßige Wärme. Mehrere Laternen gaben dem Raum etwas Einladendes. Er hielt ihn für passabel genug, Frauen einzuladen, falls sich die Möglichkeit dazu ergeben sollte.
Er warf seine Habseligkeiten aufs Bett und wandte sich dem Diener zu. »Verwalterin von Villjamur ist ein seltsamer Titel«, begann er. »Was ist mit dem Kaiser passiert?«
»Gegenwärtig gibt es keinen.« Diese Antwort fiel nahezu unbeteiligt aus. »Er ist vor einigen Tagen gestorben. Die Lady leitet die Staatsgeschäfte, bis ihre ältere Schwester, Jamur Rika, in die Stadt zurückkehrt.«
Jamur Eir wirkte zu jung, um das Sagen zu haben, aber vielleicht hatte ein Leben voll öffentlicher Verpflichtungen sie frühzeitig reifen lassen. Ihre Augen hatten ihm nichts darüber verraten.
Immerhin stand ihm als Monatslohn ein ganzer Jamún zu. Das war ungemein viel, da er zudem Kost und Logis bekam.
In der nächsten Stunde erfuhr Randur mehr über seine neuen Pflichten und darüber, warum der Hof einen Tanzmeister von so weit weg angestellt hatte. »Warum ausgerechnet aus Folke?«, hatte er erstaunt gefragt. »Es hätten sich gewiss zahlreiche Kandidaten aus
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