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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Nachdenken.
    Die Flussmündung war voller Segelschiffe der Zweiten Dragoner, die einst Brynds erstes Regiment gewesen waren. Zwei Dutzend Langschiffe blockierten den Hafen und ließen nur wenige Fischerboote aufs Meer. Er sah die aufgezogenen Standarten mindestens zweier Divisionen – der Wolfs- und der Adlerbrigade – am diesseitigen Ufer der Hafenstadt. Gish war erst in letzter Zeit infolge von Gutachten darüber, wie die Eiszeit die Schifffahrtswege zwischen der Hauptinsel Jokull und dem Rest des Reichs verändern dürfte, zum Militärhafen geworden.
    Wer bei der Lektüre der Geschichte dieser Gegend auch nur blinzelte, mochte überlesen, dass sie seit Einquartierung und Versorgung der Armee ein bedeutendes Handelszentrum war. Inzwischen wimmelte es hier von Waffenschmieden, die ihren Meisterbrief in Villjamur erhalten hatten, von Gastwirten, Fischern und Wollhändlern. Und neben diesem Glanz gab es, wovor anständige Menschen stets die Augen verschließen: Bordelle; Orte, wo man heimlich würfelt oder auf Kampfhunde setzt; Sklaven, die einer vergessenen Pflicht wegen halb tot geschlagen werden; Streit zwischen Soldaten wegen eines verschütteten Krugs.
    Brynd betrachtete die Schiffe und entschied angesichts der jüngsten Begegnungen, sich auf dem Rückweg von möglichst vielen Booten begleiten zu lassen. Das würde zumindest eine deutliche Aussage vermitteln: Hier kommt sie, die neue Kaiserin, und sie ist gut geschützt.
    Zwei Stunden später bestiegen sie den Schwarzen Frieter , das größte in Gish vor Anker liegende Langschiff, das einst verdammte Seelen beherbergt haben sollte, vor Jahrzehnten Piraten abgejagt worden war und inzwischen einen Teil der Kaiserlichen Flotte bildete. Hochseekapitänin Sang begrüßte sie (wenn ihr Auftritt sich denn als Begrüßung bezeichnen ließ) und sorgte dafür, dass die Kutsche an der Küste von einigen Frauen der Wolfsbrigade bewacht wurde. In solchen ruhigeren Reisemomenten sah Apium sich stets veranlasst, über die Verfassung des Militärs nachzudenken.
    Apium war den Marinedragonern gegenüber seit jeher misstrauisch, obwohl sie ein Herzstück der meisten Feldzüge und eine entscheidende Kraft im gesamten Archipel waren und wirksame Techniken für kurze Raubzüge und größere Invasionen entwickelt hatten. Ihnen eilte ein glänzender Ruf voraus, obwohl davon in jüngster Zeit kein guter Gebrauch gemacht worden war. Die Marinedragoner besaßen eine gewisse Überheblichkeit und meinten, ohne sie ließe sich nichts bewirken. Sang selbst war die Verkörperung dieser Einstellung. Obwohl von niedriger Herkunft, hatte sie große Dinge erreicht. Und sogar Apium war sich gewiss, dass ihr Auftreten ordinärer war als das der meisten männlichen Soldaten. Einmal hatte sie ihm gegenüber geprahlt, wie viele Inseln sie besucht habe; den gesamten Archipel habe sie bereist wie niemand sonst. Sogar Varltung habe sie umschifft, doch daran glaubte er nicht, da es für diese Unternehmung keinen Beweis gab. Normalerweise beschäftigte sie vor allem weibliche Seeleute und hatte nur für die anstrengendsten Pflichten ein paar Männer an Bord. Es war nicht schwer zu erraten, welche Dienste da inbegriffen sein mochten.
    Apium hatte sich zu Brynd, Lupus und Nelum an Deck gesellt. Brynd ließ sich gerade über die jüngst erbaute Saline aus, von der bisher nur ein windschiefer Schuppen am Kai stand. Er war sichtlich unbeeindruckt.
    Gish war insgesamt ein heruntergekommener Ort. Seit längerer Zeit war keine größere Division von hier in Marsch gesetzt worden, und die vielen Soldaten gammelten vor sich hin und vertrieben sich die Zeit mit Glücksspiel, Streiterei und gelegentlichem Sex. Das, dachte Apium, kommt dabei heraus, wenn man Soldaten lediglich exerzieren lässt.
    Brynd war insofern eine Ausnahme, als er auf Kullrún – einer kleinen Insel an der Jokull gegenüberliegenden Küste – Kultisten Übungsstrategien für seine Soldaten hatte entwickeln lassen. Die Technologie der Orden diente meist dazu, Menschen bis zur Besinnungslosigkeit zu ängstigen, Pfeile zurückkehren zu lassen, den trügerischen Eindruck von Truppenbewegungen zu erwecken und Phantome zu erzeugen, die die Gegner bis in ihre Träume verfolgten. So konnte jedes Bedrohungsszenario entworfen und immer wieder durchgespielt werden, bis die Soldaten lernten, ihre Feinde auf die wirksamste Weise zu töten. Das war zeitaufwändig, aber nötig, um hervorragende Soldaten auszubilden. Wenn es darauf ankam und ein Soldat

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