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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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seit Jahrhunderten.
    Die Hauptsorge aller in Villjamur, auf Jokull und auf den anderen Inseln des Kaiserreichs war die Winterstarre – die Eiszeit, die Astronomen und Historiker seit Langem vorhergesagt hatten. Aber diese Wendung der Dinge musste auch ihr Gutes haben, und für Dartun bedeutete sie, dass er endlich einen weltberühmten Mythos untersuchen konnte.
    Die Welten-Tore.
    Die mythischen Türen zu anderen Reichen. Die Dawnir, die einst auch die Inseln unter der Roten Sonne geschaffen hatten, sollten sie erbaut haben, um Welten miteinander zu verbinden. Einige Priester raunten, von dort gehe es direkt zu den Reichen der Götter, andere indes sagten, man gelange stracks in die Unterwelt. Niemand schien Genaueres zu wissen, und viele hielten diese Überlieferungen daher nur für von den Jorsalir-Priestern in Umlauf gesetzte Gerüchte. Dartun hatte Jahrhunderte damit verbracht, alle greifbaren historischen Quellen auszuwerten. Doch er hatte nur sammeln können, was in den Reichen des Westens zu Papier gebracht worden war, und das bedeutete eine Verzerrung der Überlieferung. Die Varltung und die Völker noch weiter im Osten tradierten Geschichte nur mündlich, gewiss am warmen Feuer. Romantisch , dachte Dartun, aber es vermittelt nur ein einseitiges Bild. Er hatte allerdings vage den Ort bestimmen können, an dem sich die Welten-Tore befinden dürften. Um dorthin zu kommen, müsste er über das nahezu endlose Meer in den äußersten Norden des Kaiserreichs reisen, weit über Folke und Tineag’l hinaus. Doch die Winterstarre hatte nun für dickes, tragfähiges Eis gesorgt. Er konnte diese Gebiete nun einfacher erforschen, und die Wechselfälle des rauen Wetters brachten ihn nicht mehr tagelang vom Kurs ab.
    Die heraufziehende Eiszeit bedeutete für ihn, endlich in andere Welten reisen zu können.
    Dass ihm die Unsterblichkeit abhandenkam, spornte ihn nur an, dies rasch zu tun, denn alle Zeit der Welt zu haben, war ein vergangener Luxus. Daher würde er Villjamur bald in Begleitung von Mitgliedern seines Ordens, von denen einige schon vorgereist waren, verlassen. Im Norden würden sie neue Welten finden. Und er hatte immer die vage, verzweifelte Hoffnung, in diesen neuen Welten auf eine Technologie zu stoßen, die ihm helfen würde, sein Leben zu verlängern. Er konnte auf wenig sonst setzen.
    Es klopfte, und er blickte erstaunt auf. »Wer da?«
    »Ich bin’s, Verain«, gab eine weibliche Stimme zurück.
    Er erkannte ihre feingliedrige Gestalt eher als ihr Gesicht. So war es meist, obwohl ihr Antlitz ebenso erlesen war: schlanke, symmetrische Züge unter krähenschwarzem Haar. Stets trug sie zudem eine eng anliegende dunkle Uniform. Dartun hatte das Waisenkind getroffen, als es die Gäste einer fragwürdigen Taverne in den Höhlen für Geld mit einem Relikt unterhalten hatte. Erst hatte er sich gefragt, wie sie an das Gerät gekommen war, dann, wie sie seinen Gebrauch erlernt hatte. Es stellte sich heraus, dass ein Kultist sie dazu hatte bringen wollen, es ihm mit dem Mund zu machen; sie hatte ihm das Relikt einfach gestohlen, nachdem er ihr die Benutzung erklärt hatte. Damals war sie erst dreizehn, aber von Anfang an geistig rege. Dartun hatte den fraglichen Kultisten – Mitglied einer nutzlosen kleinen Sekte – sofort gestellt, ihn mit Dawnir-Energie geschlagen und ihm nur so viel Leben belassen, dass er zu erkennen vermochte, dass er eigentlich kein Leben mehr besaß.
    Bald war klar, dass Verain die Dawnir-Technologie trotz ihrer jungen Jahre in einer Weise zu handhaben wusste, die jeder Kultistin würdig gewesen wäre. Also beschloss er, sie aufzunehmen, statt sie auf den Straßen Villjamurs zu lassen. Zehn Jahre später hatten sie ein Verhältnis. Womöglich hatte ihm das Werben der jungen Frau geschmeichelt, doch als er unsterblich gewesen war, hatte er es angenehmer gefunden, eine Frau allein des Aussehens wegen anziehend zu finden und sich nicht in jemanden zu verlieben, der unweigerlich früher sterben würde als er.
    Verain lächelte ihn mit einer Gesichtshälfte an, wie sie es stets tat. Seine Bindung an sie war hauptsächlich sexuell. Unsterblich zu sein bedeutete, dass er die Partner, zu denen er gefühlsmäßige Bindungen entwickelt hatte, immer wieder verlor. Keine dieser Frauen hatte ewig leben wollen – auch dann nicht, wenn er es ihnen angeboten hatte (was nur selten vorgekommen war). Er war öfter verletzt worden, als er es sich vergegenwärtigen mochte. Unbeschwerte, rein sexuelle

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