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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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und Aufmerksamkeit zu tun. Selbst ihm wäre es möglich, diese Auflagen zu erfüllen. Fast hätte er sie eindringlich gebeten, wieder zu ihm zu ziehen, war aber einfach nur glücklich, mal wieder mit ihr zusammen zu sein. Und sie würde hoffentlich positiv darauf reagieren.
    Später am Abend geleitete er sie zu ihrer vorläufigen Unterkunft, einem Zimmer in der Gata du Seggr jenseits der Gata Sentimental, wo viele Veteranen lebten. Sie flüsterte ihm zu, es wäre nicht richtig, die Nacht zusammen zu verbringen; also drückte er ihr an der Tür nur die Lippen auf die Hand, wandte sich um und ging in die Nacht davon.
    Auf dem Heimweg kam er nicht umhin zu bemerken, dass ihm jemand mit schweren Schritten folgte, doch es kam zu keinem Vorfall. Als er die Haustür hinter sich schloss und in aller Deutlichkeit erkannte, in welcher Unordnung sein Heim war, räumte Jeryd rasch auf. Danach saß er nackt und mit in die Hände gestütztem Kopf auf dem Bett am brennenden Holzofen. Sein Schwanz war reglos, und die teure neue Robe lag sauber zusammengefaltet auf einem Stuhl in der Ecke. Als er den Abend Revue passieren ließ, schmerzte ihn die Brust. Alles schien gut gelaufen zu sein, doch er wollte der Hoffnung nicht die Zügel schießen lassen. Allzu optimistisch zu werden, konnte in schlimmster Enttäuschung enden.
    Es war interessant, wie Tuya die Wahrnehmung seiner Ehe und seines ganzen Lebens verändert hatte. Sie hatte seine Fehler mit staunenswerter Lakonie herausgearbeitet und als Einzige eine Verbindung zu den wesentlichen Dingen in seiner Welt hergestellt. Ohne Marysa gäbe es noch immer so viel … Leere. Leere, die er zuvor mit allzu viel Arbeit hatte füllen wollen in der vagen Hoffnung, so nicht darüber nachdenken zu müssen, wie schlecht die Dinge sich entwickelt hatten.
    Er streckte sich auf dem Bett aus und schlief langsam ein.
    Schritte weckten ihn, Absätze, die über das Pflaster unter seinem Fenster klackten. Sein Herz setzte einen Moment lang aus, als die Haustür auf- und wieder zuging. Er drehte sich im Bett herum, rieb sich die Augen, blinzelte nach der Uhr und merkte, dass er nur eine halbe Stunde geschlummert hatte. Schritte kamen die Treppe herauf und bis zu seiner Schlafzimmertür. Mit einem Auge sah er sie aufgehen und tat, als schlummerte er noch immer.
    Eine Gestalt trat ans Bett und blieb stehen.
    »Du bist mir vielleicht ein Ermittler«, lachte Marysa. »Ich hätte ein Dieb sein können.«
    Alles, was ich habe, gehört ohnehin dir , verkniff er sich zu sagen. Sie schleuderte die Schuhe von den Füßen, streifte ihr Kleid ab und legte sich behutsam zu ihm aufs Bett. Sie küssten sich, und er war sehr zärtlich, und als sie sich liebten, biss sie ihn sanft in die Brust und beugte den Rücken wie einen Bogen.
    Heute Nacht und für den Rest meines Lebens , so schwor er sich, wird sich alles um sie drehen.
    Vor Jeryds Haus lehnte Gehilfe Tryst an einer Mauer und sah den Mond auf dem glatten Pflaster schimmern. Vorsichtig und nach allen Regeln verdeckten Ermittelns war er durch die Seitengassen gehuscht, um hierherzukommen, und hatte den nächtlichen Verkehr Villjamurs gemieden – die vielen Gauner, die raffinierte Magie und die unheimlichen Mischtiere, die die schwarze Nacht um diese Zeit auf exotische Weise bevölkerten.
    Und nun drang Marysas leises Stöhnen bisweilen durch das Geräusch des Windes hindurch zu ihm herunter.
    In der erhobenen Hand hielt er ein Schweineherz. Blut rann unter seinem Hemd den Arm entlang, während er leise ein Mantra der Ovinisten anstimmte und die Worte als gedämpftes Murmeln über seine Lippen drangen.
    Ich verfluche diesen Mann , dachte er, weil er mich nicht auf den Posten befördern will, den ich verdiene, und weil er seine Zeit mit seiner Frau verschwendet, statt den Mord an Bruder Ghuda aufzuklären. Und dabei tut er ständig so, als wäre er mein Freund.
    In Halbtrance glitten seine Gedanken dahin, nahmen aber schließlich wieder klarere Konturen an. Wie war er mitten in der Nacht voll Wut und Eifersucht vor dieses Haus gelangt?
    Er erinnerte sich an seine Jugend, als die Sommer endlos schienen. An die Hütte gleich südlich der Stadt, in der seine Eltern lebten. An den Vater, diesen riesenhaften bärtigen Mann, der ein Priester Bohrs und Alkoholiker war und Tryst und Trysts Mutter missbrauchte. Diese Mutter war klein, zerbrechlich und wunderschön und hatte die Hölle, die der Vater täglich nach Hause mitbrachte, ganz und gar nicht verdient. Tryst liebte sie

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