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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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und wollte sie mit allen Fasern seines Wesens schützen.
    Doch seinem Vater bedeutete sie nichts, weil Bohr ihm alles geworden war – ein Gott, den Tryst nicht sehen konnte. Vielleicht war er deshalb Ovinist geworden.
    Da er hervorragend begabt war, kämpfte seine Mutter darum, dass er möglichst lange zur Schule ging – auch dann noch, als die Trinkgewohnheiten und Gewaltausbrüche seines Vaters schlimmer wurden. Sie weckte in ihm den Willen, im Leben voranzukommen und sich nicht von den Umständen erdrücken zu lassen. Vielleicht machten auch die eigenen Ängste sie dabei so beredt. Als sie an einer rätselhaften Krankheit starb, war sein Optimismus dahin. Seltsamerweise zerbrach auch sein Vater an ihrem Tod, womit Tryst nicht gerechnet hatte. Nachdem sich nun herausgestellt hatte, dass er bei der Inquisitionsbehörde auf keine weitere Beförderung hoffen konnte, dachte er dauernd an jene Tage zurück und erlebte die Momente der Hilflosigkeit wieder und wieder.
    Seine Mutter hatte ihm gesagt, er sei so klug, dass er alles erreichen könne, und nun verhinderte Jeryd, dass er überhaupt noch vorankam.
    Tryst zog einen reich verzierten Dolch aus dem Ärmel. Er schnitt ein Stück Fleisch aus dem Schweineherzen und biss hinein, um seinem neuen Gott Ergebenheit zu demonstrieren – dem Gott, der ihm geholfen hatte, die schlimmen Erinnerungen zu verarbeiten.
    Doch was das Problem Jeryd anging, konnte er noch immer nicht viel tun.
    Wütend ging er nach Hause und überlegte, wie er dem Ermittler schaden konnte.

KAPITEL 15
    Verain setzte die Kapuze ihres rußfarbenen Umhangs auf, um den kalten Wind abzuhalten, der durch Villjamurs Gassen pfiff, als würde er sie jagen und wie ein unermüdlicher Geist heimsuchen.
    Als sie weiterging, grinsten ihr alte Männer aus dunklen Eingängen anzüglich zu und machten ihr demütigende Offerten. Einige waren trunken zusammengesackt, forderten aber noch immer sexuelle Dienste. Sie hätte diese Kerle am liebsten mit einem Relikt kastriert, um ihre Fantasien zu stutzen. Stattdessen ließ sie nur im Vorbeigehen ihr Kurzschwert vor dem Gesicht der Männer aufblitzen, doch ihre Stimmen verfolgten sie, noch lange nachdem sie längst außer Sicht waren. Ansonsten suchten nur Katzen die Gassen heim, doch deren Gesellschaft schätzte sie.
    Wie isoliert sie sich fühlte! Sie war dabei, ihren Geliebten zu verraten.
    Denn so würde Dartun es sehen – vor dieser Wahrheit gab es keine Ausflucht. Es würde ihn kaum kümmern, ob sie ihn zugunsten eines anderen Mannes verließ. Er hatte so gut wie nie mit ihr geschlafen und ihr niemals ein Geschenk gemacht. Nicht, dass sie viel gewollt hätte, nur ein paar schwache Zeichen von Zuwendung – war das zu viel verlangt? Doch dies war nicht der Grund, aus dem sie ihn nun betrügen würde.
    Im Laufe des letzten Jahres hatte sie erlebt, dass er sich immer fanatischer in seine Vorhaben stürzte, auch in Kleinigkeiten, und tagelang mit niemandem redete. Er hatte sich in sich selbst zurückgezogen und beschäftigte sich immer ausschließlicher mit seinen Plänen, die Schwelle der Welt zu überschreiten. Sollte er ein Tor in ein anderes Reich öffnen und dort eintreten, so würde er die Natur der Wirklichkeit zu beeinflussen suchen.
    Dartuns Bestrebungen ängstigten sie.
    Solche Dinge durfte niemand allein entscheiden. Andere sollten gewarnt sein, und wenn ihr als seiner Geliebten sein Vorgehen unmoralisch erschien, sollte sie wenigstens einen Weg finden, seinen Plan zur Diskussion zu stellen, oder? Es war immerhin eine Entscheidung, die ihre Heimat in Mitleidenschaft ziehen konnte.
    Sie liebte Villjamur und seine alten Bauten, die sich trotz Vernachlässigung und Verfall gegenseitig stützten, leidenschaftlich. In starken architektonischen Kontrasten waren Jahrhunderte zusammengedrängt, und viele Zehntausend Einwohner bildeten ein Mosaik, aus dem das Alltagsleben der Stadt erwuchs. Sie besaß keine Familie, und allein die Stadt war die vertraute Verbindung zu ihrer Kindheit, ihr Anker, der Ort, an dem sie immer Trost finden konnte. Ihrer Nähe zu Dartun wegen war sie in ihrem Orden durchweg unbeliebt. Die Stadt war alles, was sie hatte. Oft schritt sie allein über die Brücken und blickte auf die vielen Einwohner nieder, die gedankenverloren darunter hindurchgingen. Nichts durfte deren Welt bedrohen. In jungen Jahren zur Waise geworden, war Verain unter Leuten weitergereicht worden, die sie nicht kannte, und hatte sich nie sesshaft gefühlt, nie die Liebe und

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