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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Anleitung von Vater und Mutter genossen oder jene Zuwendung erfahren, die darüber entschied, wer man war. Nur Villjamur gab ihr Halt. Als sie in den Straßen der Stadt aufwuchs, war sie an die Kultisten geraten. In Villjamur hatte sie gelernt, was Gut und Böse ist. Diese Stadt hatte sie gelehrt, wie die Leute wirklich waren, egal, zu welcher Bevölkerungsschicht sie gehörten. Und Villjamur hatte sie die elementarste Wahrheit gelehrt: dass die meisten Menschen sich glichen, da sie ähnliche Leiden, Schmerzen und Freuden des Daseins durchmachten. Letztlich waren alle gleich.
    Sie hatte Dartun gefragt, was geschehe, wenn etwas durch die Tore komme, die er in neue Welten öffnen wolle, und er hatte bloß gesagt, wenn etwas in diese Welt fliehe und die Inseln des Kaiserreichs und Villjamur verseuche, dann sei es eben so. Sein Leben und die Erweiterung des Wissenshorizonts seien wichtiger.
    Zwischen ihrem Geliebten und ihrer Stadt hin- und hergerissen, hatte sie sich für Villjamur entschieden, und zwar nicht, weil sie Dartun weniger liebte, sondern weil sie das Glück sehr vieler Menschen über das eines Einzelnen stellte. Es galt, so sagte sie sich, eine ganze Stadt zu schützen.
    Verains Ziel war ein unauffälliger Steinbau ein wenig abseits der oft begangenen Hauptstraßen. Sie klopfte an, und eine Luke glitt auf. Dem fragenden Gesicht dahinter zeigte sie ihr Ordensmedaillon mit dem Gleichheitszeichen, das hoffentlich ausreichte, um die Wichtigkeit der Angelegenheit deutlich zu machen.
    »Was gibt’s?«, fragte das Gesicht.
    »Ich muss Papus sprechen, die Gydja des Dawnir-Ordens. Es ist dringend.«
    »Wartet einen Moment!«
    Kurz darauf ging die Tür auf, und drei Gestalten in Umhang und Kapuze traten auf die dunkle Straße. »Wir müssen Euch durchsuchen, bevor Ihr eintreten dürft«, erklärte eine von ihnen.
    Verain nickte und übergab ihnen ihr Schwert. Drei Armpaare tasteten sie ab und stupsten recht anzüglich an ihr herum, doch als sie schließlich überzeugt waren, dass Verain keine Relikte mit sich führte, wurde sie hineingeführt. Man befahl ihr, sich in einem nackten, holzgetäfelten Zimmer auf einen einfachen Hocker zu setzen. Das einzige Licht fiel von einer Wandlaterne im Flur durch die offene Tür herein. Da es kein Feuer gab, konnte sie ihre Atemwolken in diesem Licht aufsteigen sehen.
    Fast eine halbe Stunde verging, ehe ein Umriss auf der Schwelle auftauchte. Die Gestalt blieb stehen, musterte sie offensichtlich und fragte dann: »Warum seid Ihr hier?«
    »Wer will das wissen?« Verain stand auf.
    »Ich«, erwiderte die Frau streng. »Ich bin Papus.« Sie brachte eine Kerze ins Zimmer und zündete damit andere an, bis Verain ihr Gesicht endlich deutlich erkennen konnte.
    Was Dartun ihr über Papus erzählt hatte, war nicht gerade schmeichelhaft gewesen, aber immerhin hatte er diese Dinge gesagt, weil sie offenkundig eine strenge Frau von so hoher Ethik und Moral war, dass selbst ihr eigener Orden sie fürchtete. Doch es hieß, sie verfüge über Verbindungen zu hohen Würdenträgern des Kaiserreichs, und deshalb war sie gewiss die Richtige, um sich an sie zu wenden. Und sie war eine mächtige Kultistin – vielleicht war nur Dartun noch einflussreicher. Sie würde wissen, wie mit den anstehenden Neuigkeiten umzugehen war.
    »Ich bin Verain Dulera vom Orden der Tagundnachtgleiche.« Sie folgte Papus, die gerade die letzte Kerze auf ein leeres Wandregal stellte.
    Als sie sich dann zu ihr umwandte, war Verain erstaunt über ihre männlich wirkenden Gesichtszüge.
    »Ich weiß, wer Ihr seid«, sagte Papus.
    Verain strich sich die Kapuze vom Kopf.
    »Dartun mag offensichtlich die Hübschen«, ergänzte sie.
    Verain war sich plötzlich ihrer Attraktivität bewusst. Nicht, dass Papus hässlich gewesen wäre, doch sie hatte von anderen Frauen gelernt, dass alle auf Schönheit verschieden reagierten. »Um ehrlich zu sein, bin ich wegen Dartun hier«, erwiderte sie und verschränkte abwehrend die Arme. »Ich muss Euch eine Neuigkeit mitteilen.«
    »Und ich soll diese Neuigkeit eines rivalisierenden Ordens glauben? Eine Neuigkeit, die den unzuverlässigsten Mann betrifft, der je ein Relikt gehandhabt hat?«
    »Bitte hört mich an!«, sagte Verain. »Wenn er wüsste, dass ich hier bin, wäre mein Leben in Gefahr.«
    Papus gebot ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. »Ich weiß viele Dinge über Dartun Súr, und das meiste davon möchtet Ihr nicht wissen. Ich bezweifle, dass Eure Neuigkeit meine Meinung

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