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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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für das Mädchen gewesen sein musste.
    Es fiel Nanzi schwer, ihren tagsüber geleisteten Dienst an der Gemeinschaft mit der Hilfe in Einklang zu bringen, die sie Voland nachts in ihrer zweiten Daseinsform gewährte. Eigentlich rieb sie sich rund um die Uhr für andere auf. Doch Volands Operationen hatten sie gesund gemacht, und sie sah sich verpflichtet, wenigstens teilweise für ihn zu arbeiten. Dass er ein tadelloser Herr war, erleichterte ihr das zweifellos. Andererseits war sie auch liebend gern für die Inquisition aktiv, denn dabei durfte sie sich als eine Frau fühlen, die etwas erreicht hatte. Obwohl sie in einer Männerdomäne arbeitete, hatte sie durch ihren Fleiß im Laufe weniger Jahre die stolze Stellung einer Ermittlungsgehilfin erreicht. Und Jeryd war bezaubernd, wenn auch etwas langsam. Ob er allerdings je aufhören würde, alles Mögliche in sich hineinzustopfen? Sie fand ihn liebenswert, doch allmählich wurde er eine wirkliche Gefahr, und so erzählte sie ihrem Geliebten halb nackt hingebreitet von ihren Sorgen.
    Voland dachte bei einem Zigarillo über ihr Problem nach. »Du willst ihn jetzt also loswerden?«
    »Schwer zu sagen. Ich weiß es einfach nicht. Manchmal ist er ein solcher Pfuscher, jedenfalls kein besonders guter Ermittler, aber er gibt sich wirklich Mühe, und ich lerne etwas bei ihm.«
    »Vielleicht wäre es für uns beide am besten, uns seiner zu entledigen.«
    Nanzi schwieg, doch Voland vermutete, dass sie von der Idee nicht begeistert war. »Sonst werden wir noch verhaftet und hingerichtet. Und vom Kommandeur der Nachtgarde bekommen wir auch keine nützlichen Informationen. Wir sollten uns Ermittler Jeryd endlich vom Hals schaffen.«
    Sie nickte und legte den Kopf auf Volands Brust. Dann schob sie ein Spinnenglied über sein rosa Menschenbein und lächelte über die Unterschiede in Farbe und Beschaffenheit. Die Vorstellung, Jeryd zu töten, quälte sie – hatte sie tatsächlich eine Zuneigung zu dem alten Rumel entwickelt? Er war ein netter, ja anständiger Zeitgenosse, doch Voland hatte sie zumal Sachlichkeit gelehrt. Gefühle konnten, wenn sie ein Mensch war, verheerend auf sie wirken und ihr logisches Denken beeinträchtigen. Als Spinne ließe sich die Tat sicher leichter vollbringen. Ihre tierischen Instinkte würden sich durchsetzen, und es wäre ein Auftrag wie jeder andere. Manchmal wünschte sie, stets so willensstark zu sein wie im verwandelten Zustand, sodass sie weder an ihren Zielen zweifelte noch auf andere angewiesen wäre.
    »Gut. Ich bring ihn um. Aber es muss bald geschehen.«

KAPITEL 33
    E ine Golem-Schau!«, rief Marysa. Ihre freudige Miene war seine Anstrengungen, Karten zu bekommen, allemal wert. Sie nahm seine Hände und schaffte es wie stets, dass die Mühen des Tages von ihm abfielen.
    »Ja.« Jeryd zierte sich etwas, nicht ohne Grund. Er war kein großer Romantiker, das wusste er. So alt er auch wurde: Stets verhielt er sich wieder wie ein blutiger Anfänger. Es war nun mal eine heikle Sache. »Ich dachte, wir könnten mal wieder ausgehen, und ich weiß ja, wie sehr du die Golems in Villjamur mochtest. Zieh dir also was Feines an, denn der Große Iucounu beginnt in einer Stunde.«
    »Toll, ich werfe mich schnell in Schale.«
    »Aber flott, sonst gehe ich ohne dich.« Sie eilte aus dem Zimmer, und Jeryd sah ihr zufrieden nach. Kein Wunder, dass seine Partnerin seine größte Freude war. Während er auf die vertrauten Geräusche lauschte, mit denen sie sich zurechtmachte, seufzte er stillvergnügt und wandte sich zum Fenster. Es schneite wie üblich, doch immerhin hatte die Straßenreinigung den Weg zum Theater recht gut geräumt. Auf Mauern und Dächern und überall dort, wo die Kultisten ihre Arbeit nicht bequem verrichten konnten, türmte sich der Schnee aber noch immer. Für Villiren war er weiter eine weiche weiße Plage. An den Kreuzungen hingen Sturmlaternen, deren mildes Orange sich auf dem Pflaster spiegelte. Dieser Abend verdiente womöglich sogar das Prädikat romantisch.
    Um ehrlich zu sein, brauchte Jeryd so einen Abend der Ablenkung für seinen Seelenfrieden. Andernfalls würde er nur über den ungreifbaren Spinnenmörder nachgrübeln. Dieser Fall beschäftigte ihn von morgens bis abends – sei es, dass er Verwandte über das Verschwinden eines Familienmitglieds befragte, sei es, dass er Vorkommnisse in einen Zusammenhang brachte, um womöglich Muster zu entdecken. Obendrein hatte er sich wie sonst um den Papierkram zu kümmern. Vielleicht

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