Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
wir alles, Doktor!« Der Nebel verdichtete sich und schwebte ins trübe Licht hoch, und eine Leiche schien sich von selbst vom Haken zu lösen. Die Phonoi glitten abwärts und legten den Toten behutsam auf die andere Seite des Arbeitstischs. Dann lösten sie sich wieder auf und überließen Voland seiner Arbeit.
Malum war übernächtigt, aber entschlossen, sich auf den Tag zu konzentrieren. Mit hochgeschlagenem Mantelkragen drückte er sich in einer verschneiten Gasse am alten Schlachthaus herum, wo er die monatliche Bezahlung für Doktor Voland, diesen alten Sonderling, abliefern und der Transaktion etwas Persönliches geben wollte, da auch andere Banden die Fleischverteilung gern übernommen hätten – erst im Vormonat hatte er zweien die Kniescheibe brechen müssen.
Bestürzt sah er Mitglieder einer rivalisierenden Gang, der Cromis, vor dem Hintereingang des Schlachthauses warten. Diese Mistkerle, das ist nicht ihr Revier . Sie waren den ganzen Weg von der Klappmesser Gata am anderen Ende von Villiren gekommen, aus einer fast ausgestorbenen Gegend. Warum waren die wohl hier? Voland war ein guter Geschäftspartner, mit dem die Bloods regelmäßig und nahezu anstrengungslos großen Gewinn machten. Manche sagten, Voland bekomme sein Fleisch von Garudas, andere vermuteten gar Rumelmischlinge dahinter, doch woher er sein Fleisch wirklich bezog, wusste Malum nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Für ihn zählte allein, dass der eigenbrötlerische Mann rechtzeitig und zu einem vernünftigen Preis lieferte. Leute mit diesen Eigenschaften waren in Villiren überaus selten.
JC und Duka erwarteten Malum schon. Beide waren hübsch warm in Pullover und Handschuhe eingepackt und trugen ein Messer im Hüftgürtel.
»Wir dachten, du bringst ihm das Geld«, nuschelte JC unter seiner Maske und trat von einem Fuß auf den anderen, um nicht zu frieren.
Malum klopfte auf seinen Mantel, unter dem er einen kleinen Beutel Sota-Münzen verbarg. »Die Cromis sind aufgetaucht, diese Mistkerle.«
»Die sind schon seit einer Weile da.« Duka rieb sich das Gesicht, um wacher zu werden. Offensichtlich rechnete er mit einem Kampf.
Soweit er sah, waren sie zu dritt und hielten sich im roten Ziegeleingang eines leer stehenden Ladens versteckt. Nein: Drei Leute kauerten im Halbdunkel, und ein riesiger, modisch gekleideter Garuda lehnte mit säuberlich angelegten Flügeln an der Außenmauer. Schneeflocken umtanzten seinen glühenden Glimmstängel.
Malum vergewisserte sich, dass seine Maske gut saß. »Wir sollten uns gar nicht um sie kümmern.« Kaum aber hatte er das gesagt, kamen die vier unter Führung der Vogelgestalt Streit suchend angeschlendert.
Der Garuda gab dem Glatzkopf neben sich mit Handzeichen etwas zu verstehen, und der sprach daraufhin statt seiner: »Wir wollen von dem Geschäft etwas abbekommen. Wir wissen, was du treibst und woher du das Fleisch beziehst. Die Madam sagt, wir wollen daran beteiligt sein.«
»Was?« Malum hatte nicht damit gerechnet, dass es sich bei dem Garuda um ein weibliches Wesen handelte. »Ihr wollt euch uns anschließen?«
Die Frau kreischte etwas Unverständliches und strich sich den Mantel glatt. Er war aus feinster Seide und so hervorragend geschneidert, dass sie die Flügel frei bewegen konnte, die bei näherem Hinsehen versehrt wirkten, zerfetzt und untauglich. Das Wesen machte seinen Schergen erneut Handzeichen.
Der Kahlkopf sagte: »Wir wollen, dass du aus dem Geschäft aussteigst.«
Malum wurde zornig. »Ihr wagt es, mich herauszufordern? Mich! Habt ihr eigentlich eine blasse Vorstellung, wer ich bin?«
»Der Anführer von ein paar Männern«, knurrte der Kahle, »sonst nichts.«
Malum schüttelte sein Messer aus dem Ärmel, und sofort flankierten ihn JC und Duka mit gezogener Klinge. Drei gegen vier. In diesen kostbaren Sekunden studierte Malum die Blicke der Gegner auf die zu erwartende Attacke.
JC und Duka gingen in die Hocke, und die Garudafrau hielt sich mit teilnahmsloser Miene hinter ihren Männern. Malum fingerte ein kleines Messer aus dem Stiefel, ließ es über JC s Schulter schwirren und traf den Kahlen unterm Schlüsselbein.
Verdutzt umklammerte der Glatzkopf das Messer, und JC preschte vor. Der Verletzte aber stach reflexhaft nach ihm und traf in die Schulter. Ungerührt parierte JC den Angriff und schnitt ihm die Kehle durch. Eine Blutfontäne schoss in den Schnee, als der Mann keuchend umsank.
Der Rest wurde professionell erledigt: Erst standen sie reglos
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