Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
geschah.
»Komm, sieh dir an, was ich geschaffen habe!«
Mühsam erhob er sich aus seinem Sessel und folgte ihr ins Obergeschoss. Als sie die Tür zu ihrer Werkstatt aufstieß, hatte er noch immer das Gefühl, sich in einem Albtraum zu befinden.
Rauch und ein seltsamer Geruch schlugen ihnen entgegen, dann der Gestank von tierischem Moschus. Das Knurren wurde stärker, und er entdeckte zuerst die Augen, drei Paar – schmutzig gelb, die Blicke auf ihn gerichtet. Eine plötzliche Furcht lähmte ihn.
»Was … was ist das?«
»Das ist Cerberus, und seine drei Köpfe stehen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Du wirkst besorgt.«
Was denn sonst? Das Geschöpf war etwas größer als Malum und besaß ein glänzendes Fell. Seine Kiefer sahen aus, als könnten sie Steine zermalmen. Die drei Köpfe hatten etwas fast Menschliches, und mit zusammengekniffenen Augen waren humane Gesichtszüge darin zu erkennen, die sich – wie es schien – verzweifelt zu befreien suchten. Die Hälse waren gereckt, und ihre Sehnen zitterten ungemein aggressiv. Die Köpfe bewegten sich unabhängig, als bewohnten drei Wesen einen Leib. Plötzlich aber bewegten sie sich vollkommen synchron und ganz und gar mit ihrer Bosheit im Reinen.
»Was kann dieses Wesen?« Eine unbestimmte Frage, die mehr auf Malums Sicherheit zielte als auf den Zweck des Geschöpfs vor ihm.
»Es kennt ihren Geruch. Und deinen. Es jagt deine Frau durch die Straßen der Stadt und bringt sie dir zurück. Und nachdem es das getan hat, verschlingt es sie.«
»Es frisst sie also auf?«
»In Cerberus sind Seelen gefangen. Wenn er sich Beamis Seele schnappt, gesellt sie sich zu den anderen, und noch der kleinste Einfluss, den sie auf dich hatte, wird gelöscht. Ihre Seele fährt in die Hölle, schätze ich.«
Cerberus trottete zu ihm, und die drei Köpfe bewegten sich unabhängig. Muskeln spannten sich unter seinem Fell und waren trotz des schwachen Lichts deutlich zu erkennen. Malum roch den widerlichen Atem des Geschöpfs und fragte sich, woher er rührte. Ein Haupt neigte sich zu ihm, bis es sich fast vor seinem Gesicht befand. Es bleckte die Hundezähne, doch Malum wich der Gefahr nicht aus und hätte beinahe zurückgeknurrt. Die beiden anderen Köpfe beschnupperten ihn und prüften seinen Geruch, als suchten sie Bestätigung für etwas, das sie schon wussten.
»Ich hab keine Angst vor dir«, flüsterte Malum, kniff die Augen zusammen und spürte, wie ungeduldig vor Erwartung das alte Weib war. »Woher weiß dieses Geschöpf, wen es töten soll? Wird es nicht jeden zerreißen, der ihm auf der Straße begegnet?«
»Es ist nicht schlimmer als du.«
»Ich suche mir meine Opfer sorgfältig aus«, fuhr er sie an und fasste Cerberus erneut in den Blick. »Ich bin keine Maschine, die tötet, was ihr unterkommt.«
»Hmm! Um deine Frage zu beantworten: Dieses Vieh kennt ihren Geruch bereits.«
»Dann lass es los – bringen wir die Sache hinter uns.«
Sycorax flüsterte Cerberus etwas ins nächste Ohr und führte ihn die Treppe herab. Malum folgte den beiden und beobachtete, wie das Geschöpf schwerfällig abwärts lief.
Der Schneefall ließ das schwarze Tier auf der Straße innehalten. Beide Monde glommen trüb hinter einer schmalen Wolkenschicht im Westen, doch über der Stadt hingen die Reste eines plötzlich aufgekommenen Blizzards. Fackeln und Öllampen glühten aus den Fenstern ringsum. Cerberus trat neugierig und beunruhigend verspielt Schneefontänen hoch, hörte aber auf ein Wort von Sycorax hin damit auf und wurde ganz wachsam.
Sie gab ihm einen weiteren Befehl, und das riesige Tier trabte durch die Nacht davon.
»Bist du jetzt zufrieden?«
»Natürlich«, sagte Beami. »Und erleichtert. Noch mehr, wenn ich erst meine restlichen Sachen hole. Ich schätze, ich werde ihn eine Zeit lang vermissen.«
»Wirklich?«
»Vor allem aus Gewohnheit, denke ich. Wenn sich mein Alltag ändert, verunsichert mich das. Mein Instinkt sagt mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, und doch fühle ich mich miserabel.«
Lupus schien etwas Dankbarkeit von ihr zu erwarten und bohrte weiter. »Meinst du, die Trennung von ihm hat auch damit zu tun, dass ich hier in Villiren stationiert – ?«
»Ich hatte nach dir andere Liebhaber«, unterbrach sie ihn, und die plötzliche Enttäuschung in seinem Blick zwang sie, rasch fortzufahren. Männer und ihr Ego … »Sie haben mir weitergeholfen, wenn ich Hilfe brauchte oder etwas spüren wollte. Dann bin ich ihm
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