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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Handlungsdruck ließ seine Stimmung umschlagen. Zorn hatte unter der Oberfläche gelodert. Er hatte ihn nicht zeigen wollen, doch nun tat er es … »Lass mich einfach in Ruhe!«
    Er schob sie weg und wandte sich ab; wenn er sie nicht sah, würde es auch nicht geschehen. Er kochte nun vor Wut und wollte auf alles losgehen … Doch irgendwie beherrschte er sich. Es war nicht leicht, doch er schaffte es, sich nicht vor ihren Augen zu verwandeln .
    In tiefster Nacht lag er da, bekam keinen hoch und überlegte etwas, das er nicht auszusprechen wagte, auch ihr gegenüber nicht, und das er kein Mitglied seiner Bande fragen konnte, weil es mit Scham und Peinlichkeit befrachtet war.
    Bin ich überhaupt noch ein Mann?

KAPITEL 4
    N achtgardist Lupus Bel erzählte Brynd, das heutige Villiren unterscheide sich vollkommen von der Stadt seiner Kindheit, und angesichts der Baukonjunktur konnte Brynd sich lebhaft vorstellen, wie anders die Erinnerungen des Soldaten sein mussten.
    Unter den sich ewig hinstreckenden Flachdächern und in den so überfüllten wie trostlosen Straßen suchten Männer und Frauen der Wirklichkeit auf immer mannigfaltigere Weise zu entfliehen. So sei es früher nicht gewesen, versicherte ihm Lupus. Die Leute erfuhren ständig schlimme Geschichten von den Nachbarinseln, die im Weitererzählen ausgeschmückt wurden. Was sollten sie also sonst tun, als sich ins Vergessen zu trinken und zu feiern?
    Geheime Saufkneipen und Varieté-Clubs schossen aus dem Boden, wurden rasch wieder geschlossen und wanderten durch die Stadt, als ob sie einem geheimen Plan folgten. Für jede Obsession gab es einen Ort, sie zu befriedigen. Und die neue Musik folgte zwar dem Vorbild Villjamurs, klang aber weicher und schwieriger, bevorzugte sanfte Moll-Akkorde und variierte stärker im Rhythmus. Trotz der Kälte saßen Mädchen barfuß am Feuer und tranken kaltes Bier. Halbwüchsige riskierten bei selbstmörderischen Pferderennen auf den vereisten Straßen schwere Verletzungen. Hätte man alles, was in der Stadt vorging, von oben betrachten können, man hätte wohl nie vermutet, dass Villiren fast schon belagert war und die Menschen nur daran dachten, sich das Warten auf den bevorstehenden Krieg möglichst angenehm zu machen. Überall herrschte ein nahezu verbotener Fatalismus, an den sich eine ganze Generation zu verlieren drohte.
    Brynd hatte öffentlich vielfach über seine Entdeckungen gezürnt. Vor Wochen war die Nachtgarde dem übers Eis nahenden Feind erstmals begegnet. Die Soldaten waren durchs halbe Kaiserreich gereist, um die gemeldeten Morde auf Tineag’l – der Insel genau nördlich von Villiren – zu untersuchen, und hatten dort Spuren eines Massakers entdeckt. Die Einwohnerschaft einer ganzen Insel war so gut wie ausgelöscht worden, die Menschen niedergemetzelt oder verschleppt. Nur Hinweise auf vergebliche Abwehrscharmützel und blutige Spuren auf den Hauptstraßen zeugten noch von ihnen. Und Alte und Kinder waren zurückgeblieben – oder doch deren Leichen, wobei aber ein Teil ihrer Knochen entfernt worden war. In überfüllten Sälen hatte Brynd den Einwohnern Villirens von diesen schrecklichen Ereignissen berichtet, und sie hatten ihm wie vor den Kopf geschlagen zugehört. Doch noch immer schien niemand eine deutliche Vorstellung davon zu haben, worauf die Stadt sich gefasst machen musste.
    Brynd war nun seit Wochen in Villiren und wusste noch immer nicht, was er von dem Ort halten sollte.
    Während in Villjamur Türme und Brücken dramatisch aufragten, kam ihm das Stadtbild hier ausdruckslos vor. All das, was über anderthalb Kilometer von der Altstadt entfernt lag, war flach und schien eilig errichtet. Immer mehr Karrees wurden hochgezogen, und langweilige, gesichtslose Fassaden entstanden auf gotischen Fundamenten. Die neuen Viertel schienen in erschreckendem Tempo zu wachsen.
    Die Fernwärme bedeutete eine weitere Überraschung für ihn. Lutto hatte in den letzten Jahren ein dichtes Netz von Feuerkornrohren verlegen lassen und dabei zugegebenermaßen auf die Technologie der Kultisten zurückgegriffen. Nun verliefen Wärmekanäle wie Blutadern unter den Straßen und in die Häuser der reicheren Gegenden. Zugleich wurden Gassen und sogar Durchgangsstraßen mit Ordenswasser begossen, einer Art Meerwasser mit erhöhtem Salzgehalt, das die Eisbildung oft wochenlang verhinderte.
    Inzwischen waren wenigstens einige Garudas angelangt und zu Erkundungen gen Norden aufgebrochen. Sie flogen übers Eis, das die Inseln

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