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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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mit dem Doktor Gutes getan hatte?
    Zuerst zum Hafen. Dort lagen viele Tote, und sie roch den Verwesungsgestank von Menschen, Rumeln und Fremdartigen. Unidentifizierbares Fleisch lag haufenweise an Straßenecken und in Nebengassen zwischen Rüstungen und Waffen. Auch die Gebäude ringsum hatten diese Wesen mit ihrer Technologie zerstört.
    Doch mitten in diesem Chaos lagen verletzte Soldaten und atmeten die stinkende Luft. Nanzi fasste sie in den Blick und krabbelte behutsam durch die Verwesung auf sie zu. Die Männer schrien ihrer Wunden oder des grässlichen Anblicks wegen, den Nanzi bot, doch sie hatte ihre Befehle, tröpfelte Seide in die Wunden der Verletzten und stillte so die Blutungen. Manche fielen bei ihrem Anblick in Ohnmacht, andere betrachteten sie ganz emotionslos. Nanzi nahm je zwei Verletzte, schob sie in mitgeführte Tragriemen und schleppte sie zu den Fiakern, die hundert Schritte hinter der Front warteten. Die neben den Kutschen postierten zwei Reiterinnen musterten Nanzi argwöhnisch und hatten furchtbare Angst, die Spinne könnte ihnen etwas antun.
    »Wir wissen, was du für eine bist«, sagte die eine Soldatin und schwang einen Dolch in ihre Richtung. »Wir haben gehört, was du getan hast. Und egal, ob du uns jetzt hilfst: Du bleibst ein Ungeheuer. Beeil dich wenigstens, damit wir deinen Anblick nicht lange ertragen müssen!«
    Die geborgenen Verletzten kamen in ein Behelfslazarett unterhalb der Zitadelle, und Nanzi fuhr im Dunkeln mit ihrer Arbeit fort.
    Voland seufzte, als wieder eine schmerzstöhnende Lieferung ankam. Einige Männer und Frauen hoben die Verletzten vorsichtig aus den Fiakern. Kaum hatte Voland sie begutachtet, wurde neuer Nachschub herbeigetragen. Er fragte sich, ob das je endete.
    Wie soll ich so viele Opfer zusammenflicken?
    Er krempelte die Hemdsärmel weiter hoch und rückte den Sprengzünderkragen zurecht, den Brynd von einem Kultisten erworben hatte. Anfangs hatte Voland sich furchtbar über die Demütigung geärgert, ihn tragen zu müssen, war aber ermahnt worden, zu tun, wie ihm befohlen, weil das Gerät sonst explodieren, ihm das Genick brechen und ihn töten würde.
    Vorläufig am Leben zu bleiben, war ihm als die bessere Alternative erschienen.
    Dafür, dass die Soldaten von seinen Fähigkeiten profitierten, war Voland fast etwas wie Freiheit angeboten worden. Er hätte nahezu alles getan, um aus seiner dunklen Zelle zu gelangen und auch Nanzi freizubekommen. Diese Möglichkeit hatte er nicht ablehnen können.
    Bisher hatte er nur zwei Stunden Schlaf gehabt, in denen ihn andere Ärzte vertreten, vorsichtig gemustert und das Gerät an seinem Hals bemerkt hatten. Mitunter kam ein Soldat zu ihm und prüfte, ob es noch richtig saß. Einige Pfleger flüsterten hinter seinem Rücken; mehrmals hörte er das Wort »Schlächter« und fragte sich, ob der große Doktor Voland seine letzten Tage mit dieser Manschette um den Hals verbringen würde.
    Acht Reihen Schlaflager waren vor ihm angeordnet und erstreckten sich weit ins höhlenartige Dunkel. Laternen hingen von der Decke, und Fackeln warfen Licht von den Wänden. Zwei weniger erfahrene Ärztinnen kümmerten sich um die Patienten, und ihre Schatten fielen auf die Soldaten wie schonungslose Vorboten des Todes. Auch gut ein Dutzend Freiwillige bewegten sich zwischen den Reihen, kümmerten sich um die elementaren Bedürfnisse der Patienten oder führten die Anweisungen des Arztes aus.
    Die Verletzten wurden je nach Schwere der Verwundung in verschiedenen Sektionen behandelt. Von gebrochenen oder ausgerenkten Gliedern über Schnittwunden und Abschürfungen bis zu durchstochenen Lungen und schweren Blutungen waren die Soldaten nach der Wahrscheinlichkeit ihres Überlebens verteilt. Die minderschwer Verletzten lagen am anderen Ende des Saals, während Voland sich um all die Soldaten kümmerte, die so gut wie tot waren. Es schien zunächst sinnlos, Wunden zu verarzten, die einfach zu schwer und zu grausig waren; außerdem trafen gerade Schwerstverletzte in großer Zahl ein. Wenn ihm ein Opfer unterkam, dessen Wunden mit Nanzis Seide behandelt waren, lächelte Voland stets bei dem süßen Gedanken an seine Freundin.
    Nanzi selbst kam zwischen ihren Einsätzen ins Lazarett gestolpert und überprüfte in menschlicher Daseinsform, wie wirksam die Seide die Wunden verschloss. Die Substanz diente als Gerinnungsmittel, ohne weiter auf den Körper einzuwirken – zweifellos hatte sie vielen Soldaten das Leben gerettet.
    »Aber sie sehen

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