Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
Soldat«, rief er und wandte sich wieder dem Wandteppich zu. »Wie schön, dass Ihr überlebt habt – Bohr ist Euch zweifellos zugetan.«
    Nelum näherte sich Pias und küsste den juwelenbesetzten Ring seiner ausgestreckten Hand. Der Priester war eine ungemein gebieterische Gestalt. »Ich staune, Euch noch hier anzutreffen. Wäre es denn nicht klüger, die Stadt zu verlassen?«
    »In schwierigen Zeiten habe ich viel mehr zu tun als sonst. Die Herde vergrößert sich, wenn die Schäflein dem Tod ins Auge sehen – so war es immer.« Er lächelte wissend. »Die Leute brauchen Trost; also bin ich hier, um ihn zu spenden.«
    »Das verstehe ich«, gab Nelum zurück.
    »Ich hatte gehofft, Ihr bringt vielleicht Neuigkeiten über Euren missratenen Kommandeur.«
    Nelum hielt inne und überlegte, wie er sich ausdrücken sollte. Täglich hatte er auf den richtigen Moment gewartet, doch stets hatten ihn zu viele Kameraden umgeben. Selbst in der Obsidianroten Kammer waren sie selten allein gewesen. Nelum hatte sogar den Gurt von Brynds Sattel gelockert, damit der im Gefecht unter den Bauch seines Pferdes rutschte – ebenfalls erfolglos. Auch waren ihm Zweifel gekommen, und er hatte seine Beweggründe hinterfragt. All dies ließ ihn kaum schlafen. »Es ist nicht leicht, auf die beste Gelegenheit zu warten. Manchmal denke ich unwillkürlich, ihn zu töten, wäre falsch.«
    Der Priester nickte, doch Nelum merkte, dass er mit dieser Aussage unzufrieden war, und verspürte eine gewisse Scham. Wie konnte er ausgerechnet einen Jorsalirpriester enttäuschen?
    »Er ist ein sehr erfolgreicher Krieger«, fügte Nelum erklärend hinzu und hoffte, der Kirchenmann werde seine Haltung in dieser Angelegenheit revidieren. »Bisher hat er dazu beigetragen, sehr viele Feinde zu töten; und seiner Ausbildung und seinen Strategien ist es zu verdanken, dass unsere Armee sich bestmöglich schlägt.«
    »Das mag sein, aber sollen wir Sündern seines Kalibers erlauben, die Seelen anderer zu vergiften? Im größeren Plan der Dinge zählt dieser Mann nicht. Ihr könntet seine Aufgabe leicht übernehmen … und nun kommt mit, denn solche Dinge bespricht man nicht an öffentlichem Ort.«
    Nelum folgte dem Priester durch hohe Gewölbe und an massigen Pfeilern vorbei in ein kleines, modriges Zimmer am Kircheneingang. Staub und alte, angeschimmelte Texte stellten den einzigen Inhalt dieses Raumes dar. Er sah genug von den Buchrücken, um zu erkennen, dass es sich um seltene Werke handelte, von denen viele nicht einmal in Jamurschrift abgefasst waren.
    »Ist dies Euer Arbeitszimmer?«, fragte er.
    »Sozusagen. Hier liegen diverse vergessene Bücher, und einige von uns dokumentieren deren Bedeutung.«
    »Sind sie denn nicht alle erfasst?«
    »Viele stammen aus den Bibliotheken von Klöstern und Kirchen des Archipels, doch der jüngsten Geschehnisse wegen sind wir nun vorsichtiger, wem wir sie anvertrauen. Und jetzt bitte … «
    Pias wies auf einen großen Holzstuhl neben dem massiven Tisch und entzündete eine Fackel, während Nelum sich setzte. Dem Soldaten war noch immer unbehaglich zumute. Das Licht hob die scharfen Züge des alten Priesters auf groteske Art hervor.
    Der Mann nahm ein cremefarbenes Büchlein aus dem Regal, öffnete die alten, ramponierten Seiten und sprach dabei weiter. »Ich möchte mit Euch über etwas reden, das man Mantraismus nennt. Wenn Ihr dies Zimmer verlasst, werdet Ihr Euch daran nicht mehr erinnern. Ich will Euch nicht von oben herab behandeln, doch es dürfte reichen, wenn ich sage, es handelt sich dabei um eine der ältesten und geheimsten Künste.«
    »Ich glaube, ich verstehe nicht recht –«
    Der Alte begann zu psalmodieren und bediente sich dabei einer arachaischen Melodie, die Nelum nie gehört hatte. Welche Sprache es auch sein mochte: Die Worte wiederholten sich. Mitunter schien der Priester zu verstummen, doch seine Laute klangen faszinierenderweise fort. Immer wieder begann die Wortfolge von vorn, und nun las Pias obendrein aus dem Buch und achtete darauf, dass das Vorgetragene harmonisch zur Melodie und der sich endlos wiederholenden Wortfolge passte.
    Und inmitten all der Klänge hörte Nelum in dringlichem Ton: »Bedenke, wie sehr man dich dafür achten würde, die Welt von einem so schädlichen Einfluss gereinigt zu haben! Solche wie dein Kommandeur sind unnatürlich. Männer sollten nur mit Frauen schlafen, denn nur das dient der Schöpfung . Alles andere … Nein, das darf nicht sein. Leutnant, denk nicht nur an

Weitere Kostenlose Bücher