Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
blutroten Himmel schlug Rika vor, Begräbnisriten für Denlin zu vollziehen. Randur wusste nicht recht, was er zu diesem Angebot sagen sollte, und brummte nur eine Art Zustimmung. Sie betete ja ohnehin die meiste Zeit und war ansonsten eine Langweilerin, die ziemlich undankbar über ihre Rettung zu sein schien. Na ja, undankbar vielleicht nicht, aber sie hoffte doch stets, alles werde streng nach den Geboten der Religion getan. Die eigene Haut zu retten, ging freilich nicht immer im Einklang mit religiösen Geboten vor sich.
    Aber Schluss damit! Sollte Rika sich hier draußen doch den Hintern abfrieren und sehen, wie lange sie durchhielt. Im Grunde wurde ihm jetzt erst klar, dass er nur wegen Eir hier war, dass er tat, was immer sie wollte, und dass ihm das gefiel. Es gab ihm eine Richtung und Lebenssinn. Da er zum ersten Mal seit Monaten wieder auf Folke war, verspürte er das Bedürfnis, quer über die Insel nach Ule zu reiten, wo seine Mutter lebte, und zu schauen, ob es ihr gut ging. Dass Menschen, die keine Zukunft sahen, dazu neigten, sehnsüchtig in die Vergangenheit zurückzublicken, war ihm klar. Deshalb überlegte er nun, in die Stadt an der Südküste zu reisen, in der er aufgewachsen war. Dort hatte er gelernt, zu tanzen und mit dem Schwert zu kämpfen, und zwar entsprechend der großen Fechtkultur seiner Gegend, dem Vitassi , das zu beherrschen ihm schon oft den entscheidenden Vorteil beschert hatte.
    Aus Brettern, die er von den Wänden des Bauernhauses riss, errichteten sie einen Scheiterhaufen, um Denlin zu verbrennen, auf dass sein Geist in das höhere Reich aufstieg. Nachdem sie ihn sorgfältig in Stoff gewickelt hatten, wurde das Feuer entzündet. Die Flammen arbeiteten sich den Holzstapel hinauf und nagten an der Leiche des Alten, bis Funken über den ganzen Abendhimmel stoben.
    Als er Rikas tröstenden Gesängen lauschte, hatte er das Gefühl, dass sie tief in ihm etwas anrührten. Randur hatte bisher kaum Zeit gehabt, sich mit Religion zu befassen. Er war zu beschäftigt gewesen, Mädchen in den Dörfern nachzusteigen und in dem von Lagerfeuern erleuchteten Halbdunkel zu tanzen. Es gab einfach zu viele Annehmlichkeiten im Leben, als dass er sich damit hätte befassen wollen, die natürlichen Begierden zu ersticken und über das Jenseits nachzudenken. Und in Villjamur, wo er unter falscher Identität unterwegs gewesen war, hatte es noch mehr Ablenkungen gegeben.
    Und doch ging von Rikas unbestimmt melodiösen Gebeten eine metaphysische Lockung aus. »Wovon singt Ihr da? Ich muss gestehen, dass ich mich mit Eurem Jorsalir-Zeug so gut wie gar nicht auskenne.«
    Freude trat in ihr Gesicht. »Die beiden Götter, der männliche Bohr und die weibliche Astrid, haben nicht nur diese Welt erschaffen, sondern auch andere. Bei manchen handelt es sich um Parallelwelten, doch viele befinden sich auf einer höheren oder tieferen Ebene. Und auf der höchsten Ebene tragen Götter und Halbgötter ihre kleinlichen Streitereien aus. Als Gottheit führt man vermutlich ein ganz angenehmes Leben, doch die Götter sind nie zufrieden und wetteifern ständig miteinander. Auf der Ebene über uns gibt es sogar Geisterreiche, Randur – Gefängnisse für jene, die in einer furchtbaren Erinnerung gefangen sind. Darum ist es für die geistige Entwicklung geradezu ideal, in dieser Welt zu leben – trotz ihrer Freuden und Härten, ja gerade ihretwegen!«
    An dieser Stelle stöhnte Randur, allerdings nicht aus Missbilligung. »Was ist mit Denlin?«, fragte er. »Wo wird er enden? In einer dieser anderen Welten?«
    »Ja, und meine Gebete sollen ihm dabei helfen, eine gute Welt zu erreichen.«
    Kam es darauf noch an? Denlin war tot. Einfach tot.
    Eir und Rika verbrachten die Nacht im Bauernhaus und ließen Randur am Feuer allein. Dort grübelte er und starrte in die Flammen. Denlin hatte ihm sehr geholfen, indem er den Schmuck verkaufte, den Randur reichen alten Damen als Beischlafdieb abgenommen hatte. So hatte er für sie beide viel Geld beschafft. Irgendwie waren sie Kollegen gewesen, und aus ihrer Angewiesenheit aufeinander hatte sich tiefe Zuneigung entwickelt.
    In der dunklen Ferne heulte ein Wolf. Das verstärkte nur Randurs plötzliches Gefühl, von aller Welt getrennt zu sein.
    Danke, du alter Mistkerl!

KAPITEL 12
    K ommandeur Lathraea, mein Sohn – bitte tretet näher!« Wieder hatte es diese Anfangsreaktion gegeben: das Begreifen, dass er ein Albino, dass er anders war. In weißem Gewand und nach Moschus stinkend,

Weitere Kostenlose Bücher