Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
Vor allem nicht die Lehren des … Heiligen Jägers. Seine Predigten legen nahe, dass Bohr und Astrid solche Handlungen von unseren Bürgern in der Vergangenheit gefordert haben, um altüberlieferte Bereiche unserer sehr langen Geschichte zu schützen. Viele Gelehrte sind der Ansicht, die religiöse Indolenz früherer Kulturen – vor allem die der Shalafar – habe zu deren Auslöschung geführt. ›Weil Bohr mit uns so viel Erbarmen hat, bitte ich Euch: Bringt euch IHM als lebendiges Opfer dar, seid IHM zu Diensten, sucht IHM zu gefallen. Das ist der wahre Gottesdienst, den ihr leisten sollt.‹«
    »Ich möchte nicht, dass unsere Kultur ausgelöscht wird«, sagte Brynd und sah dem Priester in die Augen.
    »Ich auch nicht.«
    »Hört also, wie die Dinge stehen«, fuhr Brynd fort. »Falls unsere Befürchtungen zutreffen, wird diese Stadt sehr wahrscheinlich erobert, sofern nicht jeder Mann und jede Frau mit vollem Einsatz fürs Überleben kämpft. Meine Soldaten werden alles Menschenmögliche tun, um die Gegner aufzuhalten, doch ich fürchte das Schlimmste. Dieses … « – er verwendete das Wort erneut, obwohl es nicht recht traf, was er empfand – »… Böse . Dieses Böse wird nirgendwo haltmachen; darum sollen die Leute wild entschlossen um ihre Häuser und ihr Überleben kämpfen. Und wenn nicht dafür, dann für eine größere, geistige Sache. Für die Wiedergeburt in einem neuen Reich jenseits ihres Alltagsdaseins vielleicht. Die Menschen brauchen« – und er hasste es, diese Worte zu verwenden – »Hoffnung und Glaube.«
    »Ich soll also das Eingreifen von Bohr und Astrid predigen?«, fragte der Priester.
    »Ja.« Brynd verabscheute es, sich so tief erniedrigen zu müssen. Die Menschen taten, was sie taten, weil sie daran glaubten oder weil sie auf sehr einfacher Ebene annahmen, es werde sie glücklicher machen. Beweggründe waren eigentlich eine simple Sache, und es musste ihm gelingen, die Bewohner Villirens zum Kampf für etwas Größeres zu gewinnen als sich selbst. »Vielleicht verringert das auch unsere Abhängigkeit von Auswärtigen … von Kultisten und anderem Pack … «
    Pias lehnte sich in der Kirchenbank zurück und streckte den Arm zur Seite. Für einen Moment war es vollkommen still.
    »Seid Ihr ein religiöser Mensch, Kommandeur?«
    »Ich habe so meine Anwandlungen.« Auch das war eine Lüge. Was sollte Brynd mit einem Glaubenssystem zu schaffen haben, das seine geheime sexuelle Orientierung ächtete?
    »Ich werde über Eure Worte nachdenken«, erwiderte der Priester. »Falls tatsächlich ein großes Übel auf die Stadt zukommt, wie Ihr sagt, werde ich Eurer Sorgen wegen mit einigen anderen Priestern sprechen und sehen, was ihnen hinsichtlich unserer religiösen Schriften einfällt. Eines übergeordneten Gutes wegen, wie Ihr sagt.«
    »Eines übergeordneten Gutes wegen«, wiederholte Brynd.
    Wieder war die Nacht kalt, und die Hufe der Pferde rutschten auf dem Eis. Zwei Fiaker klapperten vorbei, und die Kutscher sahen Brynd kaum an. An allen Kreuzungen lungerten Ganoven herum und unterhielten sich im Slang der Straße, jener merkwürdigen Mischung aus Jamur und der Sprache der Stämme. Inmitten all der nächtlichen Eindrücke fragte er sich flüchtig, was Soldat Haust – dem jungen Blondschopf, der verschwunden war – widerfahren sein mochte.
    Brynd war in Zivil unterwegs und trug mehrere dicke Lagen erdbrauner Baumwollkleidung und eine Kapuze, um das Gesicht beim Gehen zu verstecken; damit er in Villiren nicht auffiel, hatte er sogar – wie am Abend von Malums Kampf gegen die Golems im Untergrund – eine Creme aufgetragen, die seine allzu helle Haut dunkler erscheinen ließ und verbarg, dass er ein Albino war. Gegen seine rötlichen Augen allerdings konnte er nichts tun und hatte sich deshalb eine Gesichtsmaske aufgesetzt.
    Die dauernde Belastung setzte ihm schwer zu, und die logistischen Herausforderungen des Militäreinsatzes waren ungeheuer. Die übrigen Soldaten konnten sich Abend für Abend überall in der Stadt in Tavernen entspannen, während er sich mit Karten und Berichten einsperrte und mit den Bedürfnissen von Tausenden befasste, denen gar nicht klar war, wie sehr er sich um sie kümmerte. In den letzten drei Nächten hatte er insgesamt vielleicht acht Stunden geschlafen.
    An diesem Abend dagegen suchte er Entlastung.
    Aufgrund einiger Tipps schritt er auf ein unauffälliges Gebäude zu, dessen Front in jeder Stadt des Boreal-Archipels hätte stehen können. Ein anonym

Weitere Kostenlose Bücher