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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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müssen und waren mit beißend kaltem Rückenwind nach Süden gesegelt und am Vorabend dann mit mehr Glück als Verstand an der Ostküste von Folke gelandet.
    Und doch hatten sie kaum die Hälfte des Wegs geschafft. Villiren am anderen Ende der nächsten in Richtung Norden gelegenen Insel war ihr Ziel, doch die Stadt schien eine Ewigkeit entfernt.
    Wenigstens sind wir nicht mehr in diesem furchtbaren Eiswasser unterwegs.
    Folke war Randurs Heimat. Er kannte die Insel gut, war sich also über die Gefahren klar, die fern größerer Städte lauerten. Als er nun auf die leere Schneelandschaft blickte, in der es nichts als beißenden Wind zu geben schien, und sich vergegenwärtigte, dass sie kaum noch Lebensmittel hatten und seit der Landung auf Folke keiner Menschenseele begegnet waren, schien es ihm bestenfalls unwahrscheinlich, Villiren zu erreichen. Einige vom Schnee freigewehte Flächen an der Küste waren so unwirtlich gewesen, dass dort nur Moos und Flechten gediehen, und doch war die Insel ihm so vertraut, dass er tief in sich eine Zuversicht empfand, der er sich gar nicht bewusst gewesen war.
    Nun, da sie sich weiter im Landesinneren befanden, gab Denlin seinen Kameraden Anweisungen. Die Erfahrung des Alten war hier draußen nützlich, doch inzwischen schien er alles kommentieren zu müssen. »Mädchen von nobler Herkunft, die alles verloren haben – Geld, Familie und was sonst noch. Jetzt seid ihr beide Niemande, stimmt’s? Was seid ihr?«
    »Niemande«, murmelten sie und klangen nicht, als würden sie in einer menschenfeindlichen Umgebung ums Überleben kämpfen, sondern als wären sie eines lässlichen Vergehens wegen gescholten worden. Beide waren in unauffällige braune Pelze gehüllt und hatten ihre Kapuzen aufgesetzt. Zu ihren Füßen lagen Reisetaschen. Rikas einst so elegantes Haar war strähnig und zerzaust, und schwarze Locken klebten an ihren Wangen. Zwar war der Schopf von Randurs Partnerin Eir kürzer und ungepflegter als der von Rika, und auch ihr Gesicht war rundlicher, doch ansonsten sahen die Mädchen fast gleich aus. Diese Ähnlichkeit ließ Randur befürchten, er könnte sie vielleicht verwechseln und der falschen Schwester gegenüber einen saloppen Vorschlag machen oder den falschen Hintern tätscheln und dafür eine Ohrfeige kassieren. Zweimal wäre ihm das beinahe schon passiert, und zweimal war ihm an einer Einzelheit im letzten Moment aufgefallen, dass er es mit der falschen Schwester zu tun hatte.
    »Denn wenn ihr Jemande wärt, würde man euch in den Hintern treten«, erklärte Denlin. »Nein, man würde euch eure Habseligkeiten unterm Hintern wegstehlen.«
    »Muss er so ungehobelt sein?«, fragte Eir.
    »Es wird immer schlimmer mit dir«, knurrte Randur den Alten an.
    »Ich hab eine Menge gesehen, Junge. Ich bin ein Mann von Welt.« Denlin wandte sich ihm mit seiner neu entdeckten Autorität zu, und das Gefühl, das Kommando zu haben, verlieh seiner altersschlaffen Miene etwas Würde. Sein waldgrüner Umhang aus Armeebeständen war provozierend sauber, vermutlich aus Soldatengewohnheit. Als Randur dem Alten begegnet war, hatte der sich nur mit Mühe reinlich halten können und kaum genug Geld besessen, um sich in den heruntergekommensten Tavernen Villjamurs ein Essen zu leisten. Inzwischen war er tadellos gekleidet, selbst hier draußen in der tiefsten Einöde, unter diesem trostlosen Inselhimmel.
    »Das ist nicht die Zeit, nett und freundlich zu sein«, sagte Denlin. »Man muss die Sprache der Wildnis sprechen.«
    In der Ferne bewegte sich etwas.
    »Nun«, unterbrach ihn Randur, »wie würdest du denn in der Sprache der Wildnis darauf antworten, dass dort drüben eine Karawane von Kämpfern direkt auf uns zuhält?«
    Der Alte musterte die heranziehende Schar. »Gute Frage, Junge. Mist!«
    Ein von Pferden gezogener Wohnwagen kam über den Kamm eines sanften Hügels und trug an der Seite ein rotes Symbol: das plump gemalte Bild eines flammenden Adlers. Randur wusste, dass dies Zeichen für eine Rebellengruppe stand, die ab und an im Kaiserreich auftauchte; eine Bande von Schuften, die ihm auf Folke schon mal über den Weg gelaufen war. Sie forderten Freiheit und weigerten sich, Steuern ans Kaiserreich zu zahlen, schafften es aber dennoch, den guten Ruf des Anarchismus zu beschmutzen. Wie man hörte, zogen sie von Stadt zu Stadt, verführten Mädchen, die von ihren halbgaren, anderswo gestohlenen philosophischen Ansichten beeindruckt waren, und fanden es spannender, ihre Eltern zu

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