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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Personen vermisst gemeldet, aber die Dunkelziffer ist sicher höher.« Brynds Staunen ließ Jeryd nicken. »Ja, das sind viele! Und dabei sind die noch unberücksichtigt, die allein leben und keine Freunde haben und dergleichen. Ständig verschwinden Leute aus den verschiedensten Gründen. Doch das passt zu keiner Theorie über Kriminelle, die mir begegnet ist, weil alle, die sich aus dem Staub machen, mit größter Wahrscheinlichkeit da draußen in Schnee und Eis sterben.«
    »Mit Sicherheit sogar«, versetzte Brynd.
    »Also«, fuhr Jeryd fort und wechselte das Thema, »habt Ihr inzwischen eine Ahnung, wann der Krieg losbrechen und was die Stadt dann tun wird?«
    »Bislang hat sich nichts Neues ergeben«, gab Brynd zurück, und Jeryd nickte. »Feindliche Einheiten sammeln sich in beängstigender Zahl an der gegenüberliegenden Küste – inzwischen sind es mehrere Zehntausend Kämpfer. Sie sind wie ein Insektenschwarm, und ich habe ihre Grausamkeit selbst beobachtet. Unsere Armee hingegen ist viel zu klein. Ich habe möglichst viele Dragoner angefordert. Das vierzehnte und das sechzehnte Regiment sind gerade angelangt, und wir erwarten zudem weitere Infanteristen. Garudas fliegen ständig Patrouille oder werfen Brenna -Relikte ab, die als Eisbrecher dienen – Hauptsache, der Feind kann nicht übers Eis anmarschieren. Und obwohl die Stadt aufgrund der vielen Fluchttunnel für eine Evakuierung bestens gerüstet ist, wird ein Großteil der Stadtbewohner … schlechterdings kämpfen müssen. Es wäre gut, wenn auch die Gangs uns unterstützen, doch die wollen nur den eigenen Leuten helfen. Vermutlich zählt bei einem Angriff jeder Einzelne. Könntet auch Ihr Soldat sein, wenn es so weit ist?« Brynd begleitete seine Frage mit einem schiefen Lächeln.
    Es wäre nicht das erste Mal, dass Jeryd sein Leben eines übergeordneten Gutes wegen aufs Spiel setzte. »Sobald die Pflicht ruft«, sagte er seufzend.
    Wäre Jeryd über die Welt im Ganzen nicht schon vollkommen desillusioniert gewesen, so hätte dieser Abend ihm, was das anlangte, letzte Klarheit gebracht.
    Zur Unterhaltung nahm er Marysa in die Zitadelle mit zum Maskenball, dessen Pracht ihn ob der Winterstarre und des heraufziehenden Krieges erstaunte. Mindestens hundert Menschen schwirrten durch den großen Saal, einen merkwürdig üppigen Raum, dessen Einrichtung aus verschiedenen Epochen und allen Teilen des Kaiserreichs stammte.
    Prächtig herausgeputzte Leute liefen umher und hielten edle Gläser in der Hand. Alle trugen schicke Augenmasken mit Goldrand und Bändern in schreienden Farben. Die Atmosphäre erschien Jeryd entsetzlich dekadent: Bei Bohr, sie lebten schließlich in einer Eiszeit, und ein Krieg stand bevor! Frauen kippten Wein und Wodka in Hülle und Fülle, und Männer bewunderten sie. Wie konnten sie so feiern und sich so sorglos geben? Lautenspieler saßen auf der Bühne in der Ecke und spielten zusammen, doch Jeryd fand ihre Darbietung schlechter als die der Straßenmusikanten, die er am Nachmittag gehört hatte.
    Marysa war ungemein froh über diese Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen, und hatte sich schon nach Minuten unter die Gäste gemischt. Wie schaffte sie es nur, einfach loszuziehen und unbeschwert mit Fremden zu plaudern? Sein Stil war das nicht. Natürlich konnte er mit Leuten reden, aber nicht in einem zwanglosen Umfeld wie diesem. Normalerweise brauchte es eine Leiche, um ihn zum Gespräch zu ermuntern.
    Zwei junge Rumel aus seiner Behörde waren zwei hübschen Rumelmädchen mit grauer Haut und Kulleraugen nachgestiegen, und binnen Minuten war es ihnen gelungen, erst die eine, dann die andere zu küssen.
    Ich stehe den Dingen des Lebens ferner, als ich vermutet hätte , stellte Jeryd fest und beneidete die vier ein wenig.
    Immerhin konnte er ohne Marysa an seiner Seite ein paar Blicke auf die appetitlichen Dekolletees der Damenwelt riskieren. Diät? Von wegen! Und mochte er sich auch kläglich fühlen und mit niemandem sprechen, konnte er doch umhergehen und lauschen, um ein Gefühl für Villiren zu entwickeln, ein paar Gerüchte aufzuschnappen und vielleicht sogar einige Wissenslücken zu füllen. Er musste dringend mehr über die Stadt erfahren.
    Jeryd drehte mehrere Runden durch den Saal, bummelte herum und tat, als würde er von den Speisen kosten. Der Wein war für seinen Geschmack viel zu süß, doch er trank ihn trotzdem. Jeryd war geschickt im Horchen, und so wurde Villirens Geschichte ihm in aufgeschnappten Fetzen der

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