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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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wahrscheinlich zu einer Art Mantra geworden.
    Er musste sich erheblich an das Leben hier anpassen: Diese Stadt war genussorientiert und liberaler als Villjamur mit seinen strengen Gesetzen. Ab und an stieß er in Läden auf Dinge, mit denen er nicht einverstanden war, auf neue Drogen zum Beispiel, und mitunter war ihm die Sprache der Leute entschieden zu vulgär. Auch stellten sie sich in aller Regel nicht brav an, sondern drängelten sich grob an ihm vorbei. Auch die Frauen waren für seinen Geschmack zu dreist, vor allem die Huren in den Hauseingängen, die ihn anriefen und in deren Miene nicht nur ein Lächeln, sondern noch etwas anderes lag, das darauf hindeutete, wie sehr ihre Lebensweise sie erschöpfte.
    Da er sich den Stadtplan eingeprägt hatte, ging er die Gebiete ab, in denen die meisten Menschen verschwunden waren. Was war an diesen Gegenden so einzigartig? Warum wurden die Leute ausgerechnet hier zu Opfern? Im Süden lag die Altstadt, und die Onyxflügel erschienen im Licht der sinkenden Sonne fast wie ein Scherenschnitt. Im Norden standen die Kasernen und die Zitadelle, deren Befestigungen steil in den Himmel ragten. Er tippte sich an den Hut, um zwei alte Rumelfrauen zu grüßen, die ihn zu bewundern schienen und freundlich in seine Richtung lächelten.
    Vor allem dort, wo reiche Leute und Menschen mittleren Einkommens lebten, waren Bewohner verschwunden, doch Jeryd staunte, dass viele der übrigen Vermissten hohe Ämter in der Arbeiterbewegung bekleidet hatten oder für ihre politischen Aktivitäten bekannt gewesen waren. Unter den Bergmännern, Schauerleuten und Handwerkern war überwiegend verschwunden, wer sich für die Verteidigung der Arbeiterrechte eingesetzt hatte. Das war kein sonderlich vielversprechender Befund, und was die Methoden der Regierenden anlangte, war er stets zynisch gewesen. Doch er musste Hinweise verfolgen, wo immer sie sich ergaben.
    Überall schossen Basare aus dem Boden und nutzten jeden noch so kleinen Platz. Von Kochgeschirr bis Kleidung konnte man an den in dieser Gegend verteilten Ständen alles finden. Jeryd schob sich über einen der größeren Märkte.
    »Von welchen Tieren stammt dieses Fleisch?«, fragte er unschuldig einen schlanken, bärtigen Metzger, der sich ausdauernd die Hände rieb.
    Der erwiderte zunächst achselzuckend: »Ich hab alles Mögliche. Was sucht Ihr denn?«
    »Im Moment verschaffe ich mir nur einen Überblick«, gab Jeryd zurück.
    Versuchung nagte an ihm. Ein gutes Steak kann einem Ermittler herrlichen Genuss verschaffen.
    Nachdem er sich durch das Basar-Wirrwarr gearbeitet hatte, wurde die Stadt ruhiger.
    Also noch mal: Warum verschwanden vor allem Menschen aus recht wohlhabenden Gegenden? Lag das nur daran, dass die Leute in den Armenvierteln sich nicht die Mühe machten, ihre Vermissten zu melden? Oder hatten die Besserverdienenden etwas, das sie zu Opfern disponierte?
    Er beschloss, im Brachland Erkundigungen einzuziehen, also dort, wo sich Hütten und primitive Unterkünfte schier endlos südlich der eigentlichen Stadt erstreckten.
    Eine Außentreppe führte aufs Dach einer Hochhausanlage, von der aus sich die Bezirke Narbenhaus, Salzwasser und Tiefland übersehen ließen, die nördlich von Brachland lagen. Früher war dort die Südgrenze Villirens verlaufen. Jeryd beschloss hinaufzugehen – und sei es nur, um zu schauen, was der Ausblick hergab. Sein Aufstieg war wegen der glatten Stufen nicht besonders würdig. Zum Glück verhinderte ein Handlauf, dass er zu Fall kam, und er klammerte sich daran wie ein Betrunkener an einen Freund.
    Oben stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus. Von hier waren viele Dächer und markante Gebäude der Stadt zu sehen: fast würfelförmige Jorsalir-Kirchen und vielstöckige Mietskasernen sowie zur anderen Seite, Richtung Altstadt, die Rauchfahnen brutzelnder Straßenhändler und ein Durcheinander verschiedenster Baustile, aufgehäufte Geschichte sozusagen. Inmitten der Stadtlandschaft ragten mehrere ebenso mächtige wie nichtssagende Türme auf. Als Jeryd sie musterte, wehte der Wind so stark, dass er seinen Hut festhalten musste, damit er ihm nicht vom Kopf flog.
    Wonach suchte er eigentlich?
    Plötzlich stach ihm etwas ins Auge.
    Vom Geländer der Dachterrasse wehte etwas Netzartiges. Vorsichtig näherte er sich dem Gespinst, das ihm fremdartig erschien. Etwas Weißes, Klebriges hing schlaff und schwer wie ein faseriges Seil von der Brüstung zum Nachbarhochhaus hinüber. Jeryd zog ein kleines,

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