Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
Vom Netzwerk:
raschem Stoß die erhobene Waffe auf seine linke Seite richten. Den Rest des Rituals kannte er auswendig, parierte den Angriff und trieb den Alten mit einer Reihe von Schwertbewegungen bis an den Tresen zurück. Munio lächelte kurz.
    Klappernd fiel sein Schwert zu Boden, und er griff nach seinem Krug.
    Nach drei großen Schlucken sagte er: »Verdammt, Kapp Brimir, du bist gewachsen! Und das Haar hast du dir noch immer nicht geschnitten.«
    »Ihr seid auch gewachsen«, erwiderte Randur und meinte damit Munios Bauch. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, seinen alten Lehrer so zu sehen – am frühen Abend schon betrunken, und das in einem schäbigen Lokal in der tiefsten Provinz.
    In einem Ort, wo Träume sterben gingen …
    »Ich kann noch immer kämpfen, auch in meinem Zustand«, erklärte Munio.
    »Was? Betrunken?«
    »Allerdings, und manche sagen, ich bin dann sogar besser. Aber ich sehe, dass du noch immer lächerlich modisch gekleidet bist.« Er wies auf Randurs schwarzes Hemd mit den weiten Ärmeln, auf die enge Kniehose und auf die polierten, hochhackigen Stiefel aus Villjamurleder.
    »Ich bin nicht so gut betucht, wie ich es gern wäre.« Randur lächelte und lehnte sich neben ihm an die Theke. »Und was glaubt Ihr, wo ich gelernt habe, mich so anzuziehen? Kleide dich stets, als wüsstest du nicht, wie man kämpft – das habt Ihr mir geraten. So ist es leichter, Gegner fertigzumachen.«
    »Das habe ich allerdings gesagt.« Munio rieb sich das Kinn. »Damals hatte ich wirklich nur Quatsch im Kopf, nicht wahr?«
    »Wollt Ihr Euch zu uns setzen?«, fragte Randur und wies mit dem Kopf auf den Ecktisch, an dem Eir und Rika hockten.
    »Reicht dir eine Frau nicht, Kapp Brimir? Wenn ich mich recht entsinne, warst du immer versessen darauf, den Mädchen nachzusteigen.«
    »Nicht immer. Schließlich habe ich den Unterricht bei Euch durchgezogen.«
    »Nur weil ich dich dazu gezwungen habe. Ich habe dir gesagt, du hast großes Talent, und es war dir gleich. Also hab ich dir die Ohren lang gezogen, und du bist geblieben und hast auf mich gehört – so einfach war das.«
    Vom fünften bis zum fünfzehnten Lebensjahr hatte Randur den Privatunterricht von Munio Porthamis besucht. Seiner ungewöhnlichen Begabung wegen hatte Randurs Mutter nicht dafür zahlen müssen, und das hätte sie sich auch nicht leisten können. In einem schlichten Saal mit Blick über den Fluss hatten sie auf rohem Holzboden stundenlang an Posituren, Manövern und Technik gearbeitet, zunächst zweimal pro Woche, dann öfter, und dazwischen hatte Randur tanzen gelernt. Eines Abends aber war Munio nicht zum Training erschienen, und in der Woche darauf war ein Brief gekommen, demzufolge er sich, da er seinen reichen Onkel beerbt habe, nicht länger dem Fechtunterricht widmen könne. Randur hatte nie vergessen, wie er auf dem nackten Holzboden gehockt, in den Himmel geschaut und sich gefragt hatte, wie ihn jemand allein des Geldes wegen hatte im Stich lassen können.
    »Na gut, ich nehme deine Einladung an. Aber sei gewarnt: In letzter Zeit bin ich kein guter Gesellschafter mehr.« Munio richtete sich auf und legte Randur seine Hände an die Wangen. »Lass mich dich anschauen. Du bist noch immer ein attraktiver Bursche, siehst aber aus, als bräuchtest du was auf die Rippen. Und lass dir die Haare schneiden, Junge. Wie soll man mit so langen schwarzen Locken kämpfen?«
    Randur stellte seine Gefährtinnen unter falschen Namen vor. Als Munio dann noch eine Flasche Wein am Tresen kaufen ging, entschuldigte er sich bei ihnen, fügte dem aber hinzu, er glaube nicht, dass Munio die politischen Entwicklungen in Villjamur verfolgt habe. Das schien ihre Besorgnis zu zerstreuen.
    »In einer Großstadt wärt ihr was Besonderes«, sagte er, »doch die Ratsversammlung von Villjamur ist vom Leben der Menschen hier so weit entfernt, dass sie die Entscheidungen, die auch ihr Leben betreffen, gar nicht begreifen. Gesetze werden anderswo geschrieben, Politik wird anderswo gemacht – hier draußen geht es allein um lokale Angelegenheiten.«
    »Meinst du also«, fragte Rika, »dass die Leute hier der Zentralregierung misstrauen?«
    »Wie kann irgendwer in Villjamur die Bedürfnisse derer verstehen, die in der tiefsten Provinz leben? Deshalb weiß Munio gewiss nicht, wer Ihr seid.«
    Der alte Schwertmeister kehrte zurück. »Die Weine hier können es mit denen in meinem Keller zwar nicht aufnehmen, sind aber passabel. Außerdem schmeckt man bei der dritten Flasche

Weitere Kostenlose Bücher