Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
– setzten sich an die Theke und warteten darauf, Drinks spendiert zu bekommen. Unweigerlich kamen Männer, ältere, raue Landarbeitertypen, von denen mancher Randurs Bauernklischee genau entsprach, während andere sich erstaunlich gut ausdrückten. Und immer wieder fragte er sich: Haben diese Leute nichts Besseres im Sinn?
Sein Leben hatte sich völlig verändert. Inzwischen kam es ihm darauf an, etwas zu tun .
Die drei unterhielten sich entspannt und harmlos, wie es überall und jederzeit hätte geschehen können. Randur zu necken, war die Nische, die Eir gefunden hatte, während Rika ihn nach seiner Kindheit und Jugend auf Folke befragte. Für einen der höchstgestellten Menschen, die Randur kennengelernt hatte, zeigte sie wirklich großes Interesse an anderen.
Im dämmrigen Hinterzimmer fanden die drei näher zueinander.
Dann schlurfte ein Mann in gewachstem Umhang und lachhaft bunter Kniehose in die vordere, besser beleuchtete Gaststube. Er trug sogar ein rüschenbesetztes Schwarzhemd, wie Randur es in Villjamur hätte anziehen können. Zwar war er an sich schlank, besaß aber eine ausgeprägte Trinkerwampe; zudem wirkte sein Gesicht schmuddelig, und graue Stoppeln sprossen aus seinem breiten Kiefer.
Das darf doch nicht wahr sein …
»Bier, verdammt!«, rief er durchs Lokal und wischte sich mit dem Ärmel den Rotz von der Nase. »Wie soll man in diesem von Bohr verlassenen Dreckloch seinen Durst stillen?«
Ganz klar: Das war heute nicht sein erster Drink. Er schwankte, als er in seinen Taschen stockend nach Münzen tastete. Dann knallte er sie auf den Tresen, beugte sich vor, zählte langsam drei Geldstücke ab und schob sie dem Wirt hin. »Ein großes Bier, Mann.«
»Ihr seid also zurück«, brummte der Wirt. »Nach all dem Unsinn, den Ihr gestern Abend geschwafelt habt, dachte ich, dieses Lokal sei Euch nicht gut genug. Was sagtet Ihr doch noch? Hier sei es so einladend wie auf dem Friedhof, glaube ich.«
»Solchen Quatsch red ich fast jeden Abend, falls Ihr das vergessen habt.«
Eir hatte Randurs Reaktion bemerkt und stupste ihn in die Rippen. »Was ist?«
»Ich glaube, den kenn ich«, murmelte er, stand auf, strich sich das Haar hinter die Ohren und rief quer durchs Lokal: »Munio Porthamis.«
Der Mann hatte seinen Krug ansetzen wollen, hielt aber inne. Seine Miene verriet kurz, wie wenig es ihm behagte, dass einer in ihm einen anderen erkannte als den betrunkenen Fremden. Ob er Trost aus der Rolle des Unbekannten zog, in die er geschlüpft war?
Nun trank er doch und hatte offenbar beschlossen, nicht auf den Zuruf zu reagieren.
Randur stolzierte auf ihn zu und kümmerte sich nicht um die Blicke, die ihn von da und dort trafen. Das Gebot, sich unauffällig zu verhalten, konnte ihm hier gestohlen bleiben. »Munio Porthamis – nach diesem Ruhm also habt Ihr gestrebt? Dafür war all das Geld gedacht?«
»Ich weiß nicht, wen Ihr meint, Fremder«, erwiderte der Mann und wandte sich brüsk der Theke zu.
Doch Randur sah den alten Stoßdegen, den der Trinker unterm dicken Mantel trug, und sagte: »Regel Nummer eins des Vitassi: ›Man nimmt alles und nichts wahr und kann so alles und jeden in der Welt identifizieren.‹«
Der Mann holte tief Luft, warf ihm einen Seitenblick zu und strich mit dicken, schmutzigen Daumen über den Bierkrug. Die Augen wiesen ihn eindeutig als Munio aus. Er war noch immer der Alte und so gerissen wie eh und je. »Kenn ich dich, Junge?«
Randur zog sein Schwert langsam und nahezu harmlos und war sich der vielen Augenpaare bewusst, die sich nun, da die Schneide im Licht der Lampen glitzerte, auf ihn richteten. Es wurde ganz still im Lokal. Mit der Schwertspitze tippte er an Munios alten Stoßdegen, dessen goldbesetzter Griff abgewetzter aussah als früher. »Wir sollten unsere Waffen sprechen lassen.«
»Mein Degen drückt sich sehr gepflegt aus«, brummte Munio. »Ich kann nur jedem raten, sich auf keine Diskussion mit ihm einzulassen.«
»Inzwischen dürfte ich seine Grammatik an manchem Punkt verbessern können«, erwiderte Randur.
Munio schob den Hocker zurück, warf den Mantel ab und zog blitzschnell den Degen. Nichts an seinem Auftreten erinnerte noch an die schwankende Vorstellung, die er kurz zuvor gegeben hatte.
»Randur!«, rief Eir, und er wandte sich kurz zu ihr um. »Keine Sorge, wirklich.«
Die Männer umkreisten sich langsam und beugten sich vor oder lehnten sich zurück, um sich zu taxieren. Randur wusste noch genau, was Munio tun würde: mit
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