Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
überhaupt noch der gleiche Mensch wie vor ein paar Jahren?«
Wie sollte sie darauf antworten?
Sexuell war alles gut, wie früher. Sich Malum gegenüber zu öffnen, hatte sie nie auch nur erwogen. Ganz langsam begann sie sich zu erinnern. Und wieder zu lernen.
»Wo ist dein Selbstvertrauen geblieben? Die spöttischen Zwischentöne, die ich so mochte?«
Er macht mich locker … »Ich brauche Zeit. Manchmal belastet es mich, über solche Dinge nachzudenken.«
Wieder durchwanderten sie die Welt ohne Namen. Vor Stunden hatten sie einen Strand entdeckt, und er hatte ihn unduldsam für sich beansprucht.
»Lupusstrand ist der passende Name für einen so herrlichen Ort«, hatte er gelacht und das Thema gewechselt, als hätte er ihr plötzliches Unbehagen bemerkt.
Später empfand er das Bedürfnis, diese andere Welt zu kartografieren – vielleicht war es sein soldatisches Denken, das alles analysieren und eine strenge Logik an ihre Welt herantragen wollte. Zunächst brachte sie ihn davon ab, indem sie erklärte, diese Welt scheine sich stets sanft zu wandeln – so oft sie hier auch gewesen sei: Bei jedem Besuch sehe es etwas anders aus. Mal wüchsen neue Baumsorten, mal verliefen Bäche und Flüsse ein wenig anders.
»Einem Ort, der keiner Logik folgt«, stellte sie mit Nachdruck fest und sah ihn die Stirn runzeln, »darf man sich nicht logisch nähern.«
Seine Erkundungen machten dort aber nicht halt, sondern wandten sich den Kurven und kleinen Makeln ihres Körpers zu. Er schmeckte ihre Haut, die in der heißen Luft schwitzte. Die Flut durchdrang ihre halb abgestreifte Kleidung, ihr dunkles Haar wurde nass, und Sand klebte an ihren feuchten, verschwitzten Leibern.
Nun lagen sie auf einer glutheißen Wiese im Gras zwischen strahlenden Orchideen. Eine Schar unbekannter Vögel flog in V-Formation über den Himmel, und ihre Schreie klangen vollkommen fremd. Etwas mit sechseckigem Rückgrat und sechs Beinen rollte seltsam durchs Gras, um am Fluss zu trinken, und es schien Lupus unmöglich, dass es so ein Geschöpf geben konnte.
Weil er nicht wusste, wo er sich befand und worum es sich handelte, empfand er diese Welt als künstlich, ohne Zusammenhang und – im eigentlichen wie uneigentlichen Sinn – zeitlos. Beami fragte sich, was geschähe, wenn sie für immer hierblieben, doch ringsum gab es kaum Herausforderungen. Es war einfach eine Welt, in die man sich nur flüchten und in der man eine Affäre haben konnten ohne entdeckt zu werden.
Lupus bemerkte die Blutergüsse auf Beamis Rücken und den schmalen Kratzer an ihrer Schulter. Sie erschauerte ein wenig, ließ ihn aber mit den Fingern darüberstreichen. Ganz sanft.
»Ich kann was unternehmen«, schlug er ihr vor. »Ich kann mit den Jungs ein ernstes Wort reden.«
»Du kannst gar nichts tun, Lupus.«
»Das macht mich wütend.«
»Denkst du, ich wäre nicht auch wütend? Aber lass gut sein. Und glaub mir: Ich stecke nicht nur ein – ich teile auch aus.«
»Entschuldige! Ich hab blöderweise gedacht, ich könnte all deine Probleme lösen.«
Sie entspannte sich wieder und begriff, dass er es nur gut meinte. Es war fast unmöglich, dieses Gespräch anzugehen. »Er wird zornig, aber ich bin nicht duldsam. Zwar schlägt er mich, doch einmal hab ich sogar ein Relikt eingesetzt, damit er aufhört, und er hat es nicht mal bemerkt.«
Ein Garuda tauchte auf, eines der ungezähmten Exemplare aus der nahen Kolonie, deren Federkleid viel heller war als das ihrer Artgenossen im Boreal-Archipel; und natürlich trugen sie keine Rüstung. Er schoss etwa vierzig Schritte entfernt vom Himmel, strich mit den Flügeln übers Gras, wandte den Kopf zu ihnen um und stieg wieder in den blauen Himmel auf.
»Das liegt nur daran, dass er seit einiger Zeit keinen Sex haben kann«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
»Er … « Sie suchte nach den passenden Worten. »Er ist impotent und will nicht darüber reden. Bei uns Frauen ist es anders. Wir können über unsere Gefühle sprechen, jedenfalls die meisten von uns. Aber er kann nur sagen, er fühle sich nicht mehr als Mann – den Rest sagt mir seine ohnmächtige Wut. Vielleicht führt er ja darum ein so dunkles Leben. Ich weiß kaum noch, was er treibt. Früher hat mich die Gefahr angezogen – du kennst mich ja – , doch ich weiß, dass ich eigentlich anders bin. Ich bin keine dumme, willensschwache Erbin, die sich nicht mal den Hintern putzen kann. Das bin ich nicht! Für ihn zählt allein … vögeln zu können – nennen wir
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