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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Auge.
    Randur stieß die Tür behutsam etwas weiter auf, und die Angeln quietschten. Neben einem Sofa stand Munio und schluchzte.
    »Was ist?« Randur ging zu dem Alten, und die enormen Ausmaße des modrig riechenden Saals dämpften seine Worte.
    »Ach, Kapp!« Der Umriss des Schwertmeisters schlurfte auf ihn zu; dahinter flackerte die letzte brennende Kerze. »Kapp … «
    Randur nahm Munios Fahne schon von Weitem wahr; sein Geruchssinn war fast das Einzige, worauf er hier bauen konnte. Er näherte sich dem Alten und blieb vor ihm stehen. »Warum weint Ihr?«
    »Ich hab nicht geweint«, schniefte Munio.
    »Doch – ich hab’s ja gehört.«
    Nach kurzem Schweigen schlurfte Munio zu seinem Sessel zurück und ließ sich ächzend hineinfallen. »Setz dich bitte zu mir, ja?«
    Randur tastete sich vorsichtig ans Feuer und stieß ab und an gegen Tische oder Fußbänke. Das Sofa fand er, indem er mit dem Schenkel gegen die Seitenlehne stieß. Er setzte sich zu Munio, hielt aber wegen dessen Fahne Abstand. »Habt Ihr die ganze Zeit gebechert?«
    Munio seufzte nachdenklich. »Allerdings, junger Mann.«
    »Wie konntet Ihr zu so einem Trinker werden?«, fragte Randur. »Ihr hättet mir einst die Ohren lang gezogen, hätte ich bloß den Hauch einer solchen Disziplinlosigkeit erkennen lassen. Was ist Euch nur widerfahren?«
    »Ich kam hierher und war reich. Ich hatte alles, was ich brauchte, und musste mir keine Mühe mehr geben.«
    »Und da habt Ihr Euch gehen lassen«, konstatierte Randur. »Einfach so.«
    »Du hast nie auf einen Sitz solchen Reichtum erlangt«, murmelte Munio. »Er hat mich zerstört – so einfach ist das. Ich habe keine Entschuldigung.«
    »Als ich Euch in dem Gasthaus sah, wollte ich Euch im ersten Moment schlagen.«
    »Und dazu hättest du jedes Recht gehabt. Ich verdiene nichts anderes.«
    »Wie konntet Ihr Eure Schüler im Stich lassen?«, wollte Randur wissen. Die Resignation, die Munio dem eigenen Versagen gegenüber an den Tag legte, ärgerte ihn auf eine Weise, stimmte ihn aber andererseits auch mitleidig.
    »Ich habe dir alles beigebracht, was ich konnte. Du brauchtest meine Dienste nicht länger … Diese Lady Rika«, fuhr er erwartungsfroh fort, »ist die verheiratet? Wartet ein strammer Bursche auf sie? Meinst du, ein Herr in meinem Alter hat bei einer so kultivierten Person eine Chance?«
    »Darum geht es nicht«, erwiderte Randur seufzend. »Sie ist für so was … hm … einfach nicht zu haben.« In Munios Herrenhaus hatte er das Gefühl, dem Alten etwas mehr trauen zu können. Also beschloss er, ihm zu verraten, wer die Mädchen wirklich waren.
    Munio gaffte ihn zuerst nur an. »Die Kaiserin?«
    »Na ja, inzwischen ist sie das nicht mehr. Aber jetzt still!« Randur sah sich verlegen in dem riesigen Saal um und flüsterte ihm noch ein paar Einzelheiten zu. »Und darum dürft Ihr Euch keine Hoffnung machen, mit ihr zusammenzukommen.«
    »Zur Einsamkeit bestimmt – ach, mein Leben ist ein einziges Fiasko … «
    »Redet doch darüber«, schlug Randur vor.
    »Reden! Daran merkt man, dass eine Frau dich erzogen hat. Reden – als ob es mir danach besser ginge! Nein, man muss die Klappe halten und weitermachen. Du willst reden, aber ich sag dir was: Einst war ich wer, Kapp. Doch das ist nur noch Erinnerung – wenn überhaupt. Ich bin ein Nichts. Und das wirst auch du einst sein – ein Nichts wie ich. Dich erfüllt der hoffnungslose Optimismus, der die Jugend segnet und das mittlere Alter verhöhnt. Wir alle werden langsam vergehen wie unsere Welt. Zivilisationen kommen und gehen, und nichts bleibt von ihnen. Was soll man da anderes tun als trinken?«
    »Seid kein solcher Jammerlappen!«, fuhr Randur ihn an. »In dieser Welt sterben Menschen, um einen Bruchteil dessen zu bekommen, was Ihr besitzt – ich habe sie vor den Toren Villjamurs flehen sehen. Sie hatten keine Verpflegung, keine Möglichkeiten. Es waren Flüchtlinge, die sich in Lagern im Schatten der Stadtmauer drängten, als wollten sie sie eindrücken, um nicht im Eis zu erstarren. Und Ihr sitzt hier rum und verschwendet Euer Dasein, Euer Geld, Euer Talent, weil Ihr vor dem wahren Leben davonlauft. Und das tut Ihr offenbar, seit Ihr Euch das Trinken leisten könnt.« Randur stand auf. »Ich gehe wieder zu Bett. Oben habe ich bessere Gesellschaft.«

KAPITEL 17
    D u scheinst völlig anders gewickelt zu sein als früher. Ich weiß nicht, was ich von deinen Eigenheiten halten soll, den zaghaften Gesten, den Unsicherheiten. Bist du

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