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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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Grundnahrungsmitteln und einigen Messern zu bringen, und die beiden Männer stellten diese Dinge wie Opfergaben vor den Meerleuten zur Schau.
    Die Wasserbewohner bückten sich über die Kiste, untersuchten, was sie gebracht bekommen hatten, blickten nacheinander auf, wirkten durchaus zufrieden und nickten.
    »Lebt wohl, Händler«, sagte ihr Anführer. Alle begaben sich mit dem ertauschten Gut zum Wasser zurück und sprangen elegant ins Hafenbecken. Gleich darauf war nichts mehr von ihnen zu sehen.
    Später begab Malum sich zu Dannan in dessen stinkvornehme Wohnung mit Blick über den Hafen. Während es dunkelte, wandelten sich die Straßen fast unmerklich. Verschwitzte Arbeiter und Kleinhändler verschwanden in ihren trostlosen Behausungen und tauchten bald darauf mit Bargeld in der Tasche und ohne Zukunftspläne in den Tavernen auf. Rings um den Hafen lag Kneipe an Kneipe; alle waren ähnlich eingerichtet, und ihre Gäste hatten es durchweg nur darauf abgesehen, sich zu betrinken und die Lage ihrer Stadt zu vergessen. Wer eine Bemerkung über den bevorstehenden Krieg machte, konnte sich rasch einen Schlag in den Magen einfangen; hier kam es öfter zu derartiger Gewalt. Gepflasterte Kais umgaben ein Gewirr von Booten, die die Flüchtlinge aus Tineag’l aufgegeben hatten, weswegen Fischerboote kaum noch manövrieren konnten, was für die Fangerträge durchaus nachteilig war.
    Malum hörte ein Stöhnen aus dem oberen Stockwerk, schaute das vergitterte Fenster hinauf und sah auf dem Sims eine Laterne brennen. Was treibt der komische Kauz da?
    Obwohl er es nie offen zugegeben hatte und es sich kaum eingestand, war Malum über Dannan beunruhigt. Er hatte die Hexenfrauen Villjamurs, die Banshees, nie erlebt, fand es aber seltsam, dass sie intuitiv kreischten, um einen Tod zu verkünden. Wie spürten sie, dass gleich jemand sterben würde? All das erschien so unglaubwürdig. Falls aber Dannan eine männliche Banshee war – und von so was hatte noch keiner gehört – , verspürte er dann nicht dasselbe Bedürfnis zu schreien? Verfügte er über seltsame Energien? Sein eigener Vampirismus erschien Malum wirklicher, war eine Anwandlung, die er in sein Leben integriert und unter Kontrolle hatte.
    Dannan war einfach ein Sonderling.
    Die Tür ging auf, und Malum erklärte: »Ich muss die männliche Banshee sprechen.«
    Einer von Dannans Gang, den Screams, musterte ihn von drin. Er war klein und dünn, hatte schwarze Haare und einen Stoppelbart, und um den Hals hing ihm eine weiße Maske. »Warum?«
    »Es ist dringend. Sag ihm, es geht um den Kommandeur der Armee; um das Treffen, das wir hatten.«
    »Wartet!« Die Tür ging wieder zu.
    Malum trat erneut von einem Bein aufs andere. Es schien ewig zu dauern, ehe die Tür wieder aufging. Erst wurde er auf Waffen abgetastet und gab ihnen ein Messer; dann winkte man ihn herein.
    Von drei Männern in Umhang und Maske begleitet, eilte Malum durch das Gebäude und eine Treppe mit reich verziertem Handlauf hoch. Das Lampenlicht ließ Stoffe und Möbel blutrot leuchten. Manches war zugegebenermaßen geschmackvoll, wenn auch etwas protzig: Gewagte, goldgerahmte Porträts zeigten Gestalten, die aus einer anderen Welt zu stammen schienen. Vor allem ein Gemälde fiel ihm ins Auge, auf dem eine mit dem Rücken zum Wasser gewandte Gestalt die Hände an den Kopf presste und mit weit geöffnetem Mund schrie, während ringsum Farbfetzen in einen grellorangenen Himmel strebten. Das Gemälde schien aus einem anderen Zeitalter zu sein und einen Zustand existenzieller Angst abzubilden.
    Im Obergeschoss wurde Malum in ein Zimmer geführt, in dem Dannan wie ein Betrunkener zusammengesackt auf einem thronartigen Stuhl am Fenster saß. Auch hier war alles blutrot, Stoffe, Gemälde, Lampenschirme. Dannan fuhr sich gewissenhaft mit einem Silberkamm durchs lange Haar. Aus dem Räucherfass, das auf einem Metalltablett in der Ecke stand, stiegen Schwaden von Moschus und etwas Süßerem auf. Die Männer, die Malum eskortiert hatten, nahmen an der rückwärtigen Wand in einer Weise Aufstellung, die zeigte, dass sie gar nicht gern zugegen waren. Auch Malum begann sich unbehaglich zu fühlen.
    Eine junge Frau kauerte mit ans Kinn gezogenen Knien am Boden, trank vorsichtig aus einer Flasche, musterte ihn kühl und lachte dann in sich hinein. Sie trug dunkle Kleidung mit unmodernen Krausen und Rüschen und war so stark geschminkt, dass ihr Gesicht praktisch albinoweiß war. Ob sie Dannans gegenwärtige Geliebte

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