Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Kommandeur in unsere Gewalt bringen?«
»Keine Ahnung – aber die Bewohner der Stadt müssen erfahren, dass er mit Männern schläft.«
»Vielleicht können wir ihn ausnehmen?«, schlug Dannan vor. »Erpressung. Wir nehmen zur Deckung einige meiner Leute mit und machen halbe-halbe.«
»Gute Idee. Aus einem so hohen Offizier lässt sich viel Bargeld holen. Wir ertappen ihn in flagranti und lassen uns unser Schweigen bezahlen. Und wenn wir sein Geld eingesackt haben, prügeln wir ihn auf der Straße zu Tode.«
Dannan betrachtete kurz das Mädchen in der Ecke, das auf großer Fahrt in gänzlich unbekannte Bereiche ihres Bewusstseins zu sein schien. »Klar. Du nimmst die Dinge in die Hand und gibst mir Bescheid, wenn du mich brauchst.«
»Und habt ihr Screams nun vor, im Krieg zu kämpfen?«
Dannan hielt nachdenklich inne und studierte das Mädchen, das sich langsam in eine Art Raubtier verwandelte. »Nicht für Leute seinesgleichen. Sollte es wirklich ungemütlich werden, mach ich mich per Schiff nach Süden auf und probiere vielleicht eine andere Insel aus. Hier oben im Norden wird es mir allmählich sowieso zu kalt.«
Zufrieden darüber, Dannans Bande auf seiner Seite zu haben (oder jedenfalls nicht gegen sich), ging Malum Richtung Kasernen und kam an Betrunkenen, Huren und Süchtigen vorbei, an Partygängern und an Paaren, die Arm in Arm unterwegs waren, und erreichte die unscheinbareren Viertel der Stadt. Es hatte aufgehört zu schneien, und der Abend besaß trotz des aus den belebteren Ecken dringenden Trubels etwas Ruhiges.
Malum näherte sich zwei Soldaten, die ein wuchtiges, in eine der wenigen alten Mauern Villirens eingelassenes Eichentor bewachten. Beide trugen purpurne Uniformen unter stumpfen Rüstungen, und mächtige Säbel hingen ihnen am Gürtel. Sie plauderten untätig und entgegen der Dienstvorschrift, rieben sich die Hände und traten von einem Bein aufs andere, um die Kälte zu vertreiben.
»Ich möchte euren Kommandeur sprechen«, erklärte Malum.
Die Wächter lachten. »Prima«, meinte der Rechte, ein Dicker mit tiefliegenden Augen und schlechter Haut, »aber leider empfängt er nur nach Termin.«
Mistkerl ! Malum hätte klar sein müssen, dass er nicht einfach in die Kaserne spazieren konnte, nicht zu so später Stunde. »Ich bin Malum von den Bloods«, erklärte er.
»Mir egal, wer du bist, Kamerad«, meinte der Linke. »Du musst einen Termin haben.«
»Verflixt, ich hab ihn schon getroffen! Könnt ihr ihm wenigstens eine Botschaft übermitteln?«
Die Wächter beratschlagten untereinander. »Nämlich?«
»Sagt ihm, Malum von den Bloods ist in der Frage, ob er dem Kommandeur beim aufziehenden Krieg helfen wird, zu einer Entscheidung gekommen. Und sagt ihm, dass seine Vorliebe für Männer bemerkt wurde und missbilligt wird. Vergesst mir die Sache mit den Männern nicht. Ich warte morgen Abend bei Sonnenuntergang vor der Siegloch-Taverne. Dort kann er mich treffen, wenn sein Ruf untadelig bleiben soll.«
Mit diesen Worten machte Malum kehrt und verschwand wieder im kalten Dunkel Villirens.
KAPITEL 19
I n gewachstem Umhang schritt Brynd durch die tristen Straßen Villirens zur Zitadelle zurück. Er hatte eine weitere gescheiterte Besprechung mit selbst ernannten Vertretern der Stadtteile hinter sich. Wann würden sie begreifen, dass es bald keine Häuser mehr gäbe, in die sie flüchten konnten, wenn keiner bereit war, der Bürgerwehr beizutreten?
Gesichtslose Steinfassaden säumten einen schmalen Basar, der Brynd erheblich ärmer schien als viele andere. Zu kaufen gab es dort auch kaum etwas – billiges Räucherwerk sowie Töpfe, Pfannen und Messer, die nach Monaten schlechten Wetters angerostet waren. Händler standen unter ramponierten Schutzdächern und sahen ihn finster an. Einige trugen hölzerne Sticker, die Gewerkschaftsnähe bekundeten oder Zorn auf große Firmen zum Ausdruck brachten – auf Gebrüder Braun, auf Ferryby oder Coumby. Brynd erfuhr, dass Unternehmen oder Einzelpersonen auf den größeren Basaren Standflächen vermieteten und dafür einen Anteil am Gewinn einstrichen, doch die Händler konnten nichts dagegen tun, da jeder dort einkaufen ging und Lutto die entsprechenden Gesetze persönlich durchgebracht hatte.
Vor ihm kauerten drei Gestalten und blickten neugierig auf, als er sich näherte.
»Kommandeur Lathraea!«, rief die Frau, gab einem der anderen hastig eines der Bücher, die sie beim letzten Mal dabeigehabt hatte, und kam auf ihn zu. Es handelte
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