Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
für die Invasoren arbeiten, wollen unsere Verteidigung schwächen.«
»Gute Idee. Diese Angelegenheit soll unsere Pläne nicht beeinträchtigen. Ich muss schließlich eine Stadt retten!«
» Ihr müsst eine Stadt retten?«
Zwischen ihren Sätzen tat sich Entscheidendes. » Wir müssen es tun«, verbesserte Brynd sich rasch. »Ihr seid der Ansicht, ich sollte Malum die Stirn bieten, nicht wahr? Sollte mir daraufhin allerdings etwas zustoßen, möchte ich, dass Ihr meinen Platz einnehmt. Ihr sollt mir als Kommandeur der Armeen des Reichs folgen. Ich kann die nötigen Unterlagen zusammenstellen, aber wie würde Euch diese Rolle gefallen?«
Mist, sagte er das alles jetzt nur, um seine Schuld zu bemänteln und den Leutnant auf seine Seite zu ziehen? Brynd bekam langsam wirklich Paranoia.
»Sir … natürlich … «, keuchte Nelum. Dem sonst so wortgewandten Mann schien kurz die Sprache wegzubleiben. »Es ist überwältigend und eine Ehre … aber Ihr seid ja noch da und seid noch immer der höchste Amtsträger außerhalb Villjamurs.«
Vergiss das bloß nicht! »Danke, dass Ihr Euch für mich Zeit genommen habt, Leutnant!«
»Quatsch! Wir schnappen uns das Geld und bringen ihn um«, ächzte Malum. »Die einfachen Pläne sind immer am effektivsten.«
JC lachte auf, und die übrigen zehn – allesamt Mitglieder der Bloods – stimmten ein. Bierkrüge stießen gegeneinander, und die nächtliche Unterhaltung setzte sich halblaut fort.
In einer Tavernenecke fläzte Malum sich auf einem Stuhl und schärfte sein Messer an einem Schleifstein, während die anderen im schwachen Kerzenschein Witze rissen. Sie würden alle mitmachen und den Kommandeur niedermetzeln, falls der nicht mit dem Geld auftauchen sollte.
Und falls er damit auftauchte, würden sie ihn ebenfalls abschlachten.
KAPITEL 24
M arysa führte Stoß auf Stoß, wich seinem Arm nach links oder rechts aus, lehnte sich zurück und nahm stets die richtige Positur ein. Dann trat sie beiseite, und der nächste Schüler trat heran, um mit dem Meister zu kämpfen, einem kahlköpfigen, sehr muskulösen Mann mit erbarmungslos gleichmütiger Miene.
In einem großen, von Fackeln beleuchteten, fast unmöblierten, ofenbeheizten Raum mit Kiefernboden erarbeiteten sich die zehn Schüler im purpurnen Gewand die für das Berja – eine aus Stammestraditionen entwickelte Kampfsportart – typischen Angriffstechniken. Handzettel hatten verbesserte Fitness und Erfahrungen in puncto Selbstverteidigung versprochen, und zu Recht. Schon nach zwanzig Tagen hatte Marysa die ersten zwei Stufen hinter sich; allerdings lagen noch zehn vor ihr.
Außer ihr war nur ein weiterer Rumel in der Gruppe – die übrigen Schüler waren Menschen unterschiedlichen Alters. Sie alle waren gekommen, um der stets zunehmenden Angst vor einem Krieg oder der Straßengangs wegen Selbstverteidigung zu erlernen. Das jedenfalls nahm Marysa an, denn während der Übungsstunden redete nur der Meister, und seine Bemerkungen blieben knapp.
Da sie bereits auf der dritten Stufe war, durfte sie mit dem Degen trainieren.
Der Meister zog eine kurze Waffe, und da Marysa sich als beste Schülerin erwiesen hatte, gab er sie ihr zuerst. Diese Anerkennung begeisterte sie ungemein; zudem durfte sie sich noch kurz erholen, weil er zwei schlechteren Schülern die einfacheren Bewegungsabläufe erneut erklärte.
Sie saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und sah der Demonstration halbherzig zu.
Ja, zu fechten bewirkte sicher eine Veränderung. Bisher hatte sie nur mit gelehrten Arbeiten geglänzt. In Villjamur war sie Fachfrau für Antiquitäten und Architektur gewesen, später auch für Denkmalschutz. Bisher hatte Villiren sich in dieser Hinsicht als enttäuschend erwiesen, denn hier hatte man die meisten interessanten Gebäude abgerissen, um seelenlose, hastig hochgezogene Ungetüme zu errichten. Nur die Altstadt und ein kleiner Teil von Port Nostalgia waren noch faszinierend.
Doch Marysa hatte keine Stelle gefunden, denn die Arbeitslosigkeit war hoch. Für eine Stadt, die ihren Reichtum so schamlos vorführte, erschien ihr das seltsam. Nirgendwo hatte sie so viele Bettler gesehen wie hier, und nirgends hatten die unter so armseligen Bedingungen gelebt. Zum Glück besaß sie Ersparnisse, obwohl ein Großteil davon in diesen Unterricht floss. Aber immerhin schien der die Sache wert zu sein. Sie war selbstbewusster geworden und empfand sich als beweglicher denn je und damit ganz anders als Rumex, der wie üblich weder
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