Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
hatte das von Malum verlangte Geld nicht dabei und war gekommen, ohne den Kameraden Bescheid zu geben. Dies musste er allein erledigen. Dass er sterben konnte, machte ihm wenig aus; es linderte eher den lastenden Druck, die Stadt schützen zu müssen und eine Veranlagung zu haben, die von aller Welt gehasst wurde.
Brynd schlenderte auf einen leeren Basar, zwei Straßen von der Siegloch-Taverne entfernt. Der große, gepflasterte Platz war von zweistöckigen Gebäuden umgeben, und nur in wenigen Fenstern brannte noch Licht. Die Luft erschien ihm kälter als sonst, und er hielt ein Weilchen inne und hörte sich beim Atmen zu.
Jemand grüßte ihn bei seinem Dienstgrad, und der plötzliche Ruf hallte von den Fassaden wider. Malum lehnte mit verschränkten Armen und maskiertem Gesicht in einem Winkel des Platzes an der Wand. »Habt Ihr mein Geld dabei, Kommandeur?«
Einmal mehr begann es, fast würdevoll zu schneien.
»Ich sag Euch, was ich dabeihabe: nicht das Geringste.«
Malum wirkte gar nicht aufgebracht. »Warum seid Ihr dann gekommen? Aus Todessehnsucht?«
»Ich bin hier, um meinen guten Ruf wiederherzustellen und mich als mann hafter zu erweisen als Eure Sippschaft, die das Prinzip, für andere zu kämpfen, nicht begreift. Bedenkt, dass Feigheit vielerlei Gestalt annimmt.«
»Mistkerl«, ächzte Malum. Sein Ton hatte sich geändert, und etwas Bitteres war ans Licht gekommen. Brynd sah nur, dass seine Lippen schmal geworden waren. Malum flüsterte etwas ins Dunkel hinter sich, stieß den gestiefelten Fuß von der Mauer ab und schritt in die Mitte des leeren Platzes.
»Ich wette, Ihr seid nicht allein gekommen«, höhnte Brynd. »Ihr seid zu ängstlich, es mit jemandem aufzunehmen, von dem Ihr doch meint, er stehe unter Euch. Das zeigt, was für ein Schlappschwanz Ihr seid, und bestätigt alles, was ich immer wieder über Euch gehört habe –«
»Ihr habt von meinem Ruf gehört?«, fragte Malum. »Die Leute fürchten mich aus gutem Grund.«
»Ich habe Euch kämpfen sehen«, gab Brynd zu und entsann sich Malums Auftritt im Untergrund. »Ihr ringt zäh, doch die Technik ist nachlässig, und ich fordere Euch heraus. Mein Vorschlag lautet: Falls ich Euch besiege, bringt Ihr Eure Männer dazu, die Stadt zu verteidigen. Übrigens wird Euer kleiner Plan nicht aufgehen: Wir haben uns auf die Gerüchte, die Ihr über mich in Umlauf setzen wollt, längst eingestellt. Ihr seid nicht der Einzige, der in Villiren Einfluss hat.«
»Zu viel Geschwätz«, brummte Malum.
An der Mauer waren Schatten zu sehen: Weitere Ganoven trafen ein. Brynd roch Aronkraut und hörte ihre Stiefel.
»Ihr allein gegen mich – oder wollte Ihr mit Eurer Gang über mich herfallen?«
»Sie werden nicht eingreifen, solange es ein Zweikampf bleibt.«
Malum ließ ein Messer aus dem Ärmel gleiten. Zugleich veränderten seine Zähne sich seltsam, und plötzlich ragten zwei markante Fänge unter der Maske heraus. Er sprang vor und stieß mit der Klinge seitlich nach Brynds Gesicht, doch der wich aus, ergriff Malums Arm, hielt ihn von sich weg und drosch ihm mit der Faust in den Magen. Malum reagierte kaum, sondern steckte den Schlag weg. Sie ließen voneinander ab, und Brynd zog seinen Säbel, der doppelt so lang wie Malums Waffe war.
»He, fang!«, kam ein Ruf aus dem Dunkel, und ein Schwert flog durch die Luft. Malum fing die Waffe, und sofort wurden mehrere Fackeln entzündet. Etwa fünfzig von Malums Männern lehnten rings um den Platz mit unter Kapuzen oder hinter Masken verborgenen Gesichtern an den Mauern. Augen schimmerten im Feuerschein, und Brynd fiel auf, dass sie alle unnatürliche Fänge besaßen.
Er attackierte den Gegner und bediente sich dabei einer neuen Technik, die auf Malums Flanke zielte und Brynd die Oberhand eintrug. Er hieb nach Malums Rippen, dann nach der Schulter und versuchte, ihm die Beine wegzutreten, doch der Ganove war zu wendig und schlau und wich rechtzeitig aus. Beide kämpften beherrscht und routiniert, zugleich aber rasch und unerbittlich. Dann rutschte Brynd auf dem Pflaster aus und merkte, dass er in die Defensive geraten war.
Malum erwies sich als unbarmherzig und stieß von überall auf ihn ein. Er bediente sich aller möglicher Techniken und Stile, um das Beste aus seiner Lage zu machen, und versuchte sogar, Brynd zu beißen. Der Gangführer bestand einzig aus Wut, reiner, undisziplinierter Wut.
Mit hektischen Bewegungen fochten sie klirrend auf dem gesamten Platz. Malum holte aus, und Brynd sprang
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