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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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auf sein Äußeres noch seine Gesundheit achtete. Allmählich fühlte sie sich sogar … sexuell attraktiv, und das erstmals seit Langem. Und obwohl sie ihren Mann nie betrügen würde, erschien es ihr wichtig, mit sich selbst im Einklang zu sein.
    Der Meister winkte sie heran und forderte sie mit der Klinge heraus. Erst wusste sie nicht, was tun, und war recht ängstlich, eine richtige Waffe einzusetzen, doch dann befahl er ihr barsch, den Arm auszustrecken oder zurückzuziehen und auszuweichen oder anzugreifen.
    »Nicht so!«, fuhr er sie immer wieder an.
    Nach etwa zehn Minuten entwickelte sie ein Gefühl für ihre Waffe und gewöhnte sich an deren Gewicht und daran, wie sie durch die Luft fuhr. Zwischen seinen Attacken stellte er sich zu ihr und verbesserte ihre Kampfhaltung. Bald klirrten ihre Klingen effektvoll gegeneinander. Seine unausgesetzten Anweisungen verbesserten ihre Technik, und nachdem sie den anderen eine Weile zugesehen hatte und dann erneut drankam, setzte sie sich sehr gut zur Wehr.
    Nach dem Unterricht lächelte er ihr zu. Sie hatte ihn noch nie lächeln sehen.
    »Marysa«, flüsterte er und fuhr äußerst bestimmt fort, »Ihr dürft diese Waffe behalten.«
    »Wirklich?«, fragte sie, nach dem harten Training etwas außer Atem.
    Mit einer Verbeugung überreichte er ihr die Waffe erneut. »Ihr habt sie verdient. Schade, dass Ihr nicht schon vor Jahren, als junge Rumelin, meine Schülerin wart. Womöglich wärt Ihr nun eine Virtuosin der Fechtkunst.«
    »Danke, Meister!« Marysa erwiderte seine förmliche Verbeugung und nahm die Waffe entgegen. Ihr Lehrer zog sich zurück und verschwand hinter Brettern und Lampions.
    Sie musterte die Klinge und bemerkte die wunderschöne Schlichtheit, die sie keiner Epoche zuzuordnen vermochte. Es war ganz einfacher Stahl mit lackiertem Holzgriff.
    Marysa besaß ihre erste Waffe.
    Jeryd hatte an diesem Abend Lust auf ein Steak: Zum Henker mit der Diät! Ständig war er den häuslichen Annehmlichkeiten fern und untersuchte Verbrechen, die – so beharrlich er sich ihnen auch widmete – scheinbar unaufklärbar waren. Darum wollte er den Abend unbedingt mit seiner Frau verbringen, die er immer mehr vermisste. Je länger es nun her war, dass er in Villjamur sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, desto philosophischer wurde er. Würde er sich auf dem Totenbett wünschen, mehr Zeit im Büro verbracht zu haben, oder die vielen Tage bereuen, die er nicht mit Marysa zusammen gewesen war? Und würde womöglich beides der Sehnsucht nach dem Nichtgelebten entspringen?
    Genau. Also würde er zum Abendessen Steaks und eine Flasche edlen Nordwein mitbringen und mit seiner geliebten Frau plaudern; wenn seine Gelüste dann befriedigt wären, könnte er sich womöglich erfolgreicher wieder der Aufklärung der in Villiren begangenen Verbrechen widmen. Mit dieser Überlegung zog er los, Fleisch und Wein zu kaufen.
    Allein durch ihre Anwesenheit hatte die Armee die Moral Villirens langsam zermalmt. Während die Stadtbewohner noch vor Wochen trotz des nahezu sicher bevorstehenden Krieges zuversichtlich gewesen waren, gaben die vielen Soldaten in allen Straßen ihnen längst das Gefühl, in einer besetzten Stadt zu leben. Die Einheimischen waren eigentlich recht gastfreundlich, doch der Anblick derart vieler dreist und unverhüllt getragener Präzisionswaffen war beunruhigend.
    Die Soldaten hatten auf den Märkten kaum Proviant gekauft. Sie vertrauten stattdessen auf ihre Nachschubwege, was die Preise zum Glück einigermaßen stabil hatte bleiben lassen.
    Auf den Basaren herrschte weiter Normalbetrieb. Manche entfernten bereits die farbigen Bänder, die anzeigten, wo welche Waren verkauft wurden. Das in salzwasserbefüllten Vitrinen schwimmende Meeresleuchten erregte immer wieder Jeryds Neugier, denn das hatte es in Villjamur nicht gegeben. An einem Stand wurden Masken in verschiedenen Formen, Farben und Materialien angeboten, und er überlegte kurz, eine zu kaufen, um zu sehen, was es mit dieser Mode auf sich haben mochte.
    Er wandte sich an einen beleibten Fleischverkäufer mit exotischem Dialekt, dessen Vorfahren vermutlich teils aus Tineag’l, teils aus Y’iren stammten und unter dem Schirm des Kaiserreichs Jamur zusammengefunden hatten.
    »Ich möchte ein paar Steaks«, sagte Jeryd über die nur mehr spärliche Auswahl an Fisch und Krustentieren hinweg zu ihm. Vom oberen Quergestänge hingen zwei große Trilobiten herab und schaukelten im Wind.
    »Steak? Haben wir. Von welchem

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