Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Soldaten am Pier mit den Okun kämpfen. Zum Glück drang nun Mondlicht durch die Wolken, sodass sie sahen, womit sie es zu tun hatten.
Männer schrien sterbend. Die letzten Soldaten fielen, und nur noch zwei der Okun waren übrig. Ihre Krustenpanzer und die dunklen, schwertartigen Klauen schimmerten im Mondlicht.
Lupus legte einen Pfeil ein und feuerte ihn einem der Wesen in den Nacken, wo sie – wie er wusste – ungeschützt waren. Während es zuckend zusammenbrach, zielte er auf das zweite Geschöpf, traf aber nicht. Er schoss ein drittes Mal, streifte aber nur die Oberkante des gut geschützten Kopfs.
Brynd befahl eine Phalanx. Drei Nachtgardisten hoben den Schild und rückten Seite an Seite vor. Der Kommandeur folgte ihnen auf dem Fuß. Das übrig gebliebene Geschöpf stieß einen Kehllaut aus und bewegte sich kaum, bis die Soldaten es schließlich zur Verteidigung zwangen und es mit seinen schwertartigen Klauen ausholte.
Ein Soldat brach schreiend zusammen, doch die beiden anderen – darunter die jüngst rekrutierte Tiendi – konnten das Wesen zurückdrängen und zur Strecke bringen. Im nächsten Moment trat Brynd vor, um die Lage zu begutachten. Der gestürzte Soldat war schwer an der Schulter verletzt, und obwohl er Nachtgardist war und seine Wunden auf magische Weise rasch heilten, würde er einige Zeit brauchen, um sich von einer derart klaffenden Wunde zu erholen.
Vor der Küste schwamm ein Boot, auf dem sich offenbar mehrere Rumel und vielleicht ein weiterer Okun befanden. Nun entfernte es sich langsam von den anderen Schiffen im Hafen und verschwand hinter der Mole.
Brynd zählte dreiundzwanzig tote Soldaten, zwei zivile Opfer und zehn tote Okun.
Kundschafter waren zurückgekehrt und meldeten, es gebe keine Hinweise auf weitere Angriffe. Also befahl er, einen Garuda die Küste abfliegen zu lassen, um diesen Befund zu bestätigen, und im Hafen nun ständig zu patrouillieren. Auch sollten Garudas das entkommene Boot aufspüren.
Brynd wandte sich an seine Soldaten. »Das war eine Finte. Ich denke, sie wollten sehen, wie wir reagieren. Sie wissen wenig über uns – genau wie wir über sie.«
»Es hat ihnen mithin nicht das Geringste ausgemacht, zehn ihrer Kameraden zu opfern«, stellte Nelum fest. »Ärgerlicherweise hat keines der Wesen überlebt, sodass wir weder ihre Kampftechnik studieren noch rausfinden können, wie sie es bis in den Hafen geschafft haben, ohne gesehen zu werden. Warum haben sie eigentlich ein Boot benutzt? Wenn es sich um Krustentiere handelt, sollten sie doch in der Lage sein –«
»Vielleicht ist ihr Panzer zu schwer«, warf Brynd ein und bemerkte plötzlich, wie kalt es wurde. Dragoner und Nachtgardisten waren noch damit beschäftigt, die Leichen vom Pier zu schaffen und sie auf Karren zu laden. Bewohner aus dem Viertel strömten zusammen, doch die Dragoner hielten sie auf Abstand. Eine Frau mit Kopftuch begann laut zu jammern, als sie erkannte, dass ihr Mann getötet worden war.
Wahrscheinlich wird es bald viel mehr trauernde Witwen geben .
Brynd drehte sich um und wandte sich an Lupus, der beim Abtransport der Okun half. »Auf ein Wort, Soldat.«
»Sir.«
Sie entfernten sich vom Trubel in den Schutz eines mit Brettern vernagelten Ladens, der Taue und Seile anbot. »Ich möchte Euch persönlich für das danken, was Ihr vorhin getan habt.«
Lupus nickte. »Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, dass wir Euch gefolgt sind. Nelum sah Euch gehen und wollte sich nur davon überzeugen, dass Ihr nicht in Gefahr seid – wegen der vielen Vermissten.«
»Ach wirklich? Nun, wir haben heute Abend festgestellt, dass den Soldaten nur ein schmaler Grat vom Ganoven trennt. Wir müssen diszipliniert sein, und ihr zwei habt heute dafür gesorgt, dass ich es blieb. Dafür danke ich euch sehr.«
»Mir wäre es natürlich lieber gewesen, wenn Ihr den Mistkerl umgebracht hättet«, erwiderte Lupus. »Sir, ich habe die Vorwürfe auf dem Marktplatz gehört … das, was er da gesagt hat … «
Hatte Nelum etwas erzählt? »Ich hab ihn nur verspottet. Man muss sich über solche Dinge erheben und nach Schwächen in ihrem psychischen Panzer suchen. Er war völlig labil. Ich vermute, das liegt eigentlich an meiner Hautfarbe. Viele Leute nehmen Anstoß daran, dass ich so weiß bin.«
»Sir, auch wenn jene Dinge wahr sind, sollt Ihr wissen, dass ich … Euch dennoch weiter gehorchen werde.«
»Solche Vorurteilslosigkeit ist bewundernswert, Soldat, in diesem Fall aber völlig
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