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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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den Schnabel zusammen. Ganz gleich, wie viele Fragen auf ihn einstürmten und unbedingt ausgesprochen werden wollte n – er würde stumm bleiben. Nun landeten die beiden Eulen mit ihm auf einem sehr hoch gelegenen Felsvorsprung, der von überall im Gewöllorium zu sehen war. Das Gelächter der anderen Eulenkinder und die hämischen Bemerkungen der Aufseher hallten von den Wänden der Schlucht wider.
    Soren dröhnte der Schädel. Beinahe hätte er vor Angst losgekreischt.
    „Und jetzt kommt der schönste Teil der Lachbehandlung!“ Ein schriller Schrei ertönte, ein gewaltiger Luftzug war zu spüren, und die Ablah-Generalin Skench landete neben Soren. Auch ihre Stellvertreterin, Leutnant Spoorn, gesellte sich mit boshaft funkelndem Blick zu ihnen. Großer Glaux!, dachte Soren, was haben die mit mir vor?

In Schwester Finnys Obhut

    „Oje, oje, 12-1, wie du aussiehst!“
    Soren stöhnte und öffnete blinzelnd die Augen. „Was ist passiert?“, fragte er. Das gelbe Leuchten von Tante Finnys Augen hüllte ihn wohltuend ein.
    „Na, na, Herzchen! Das Fragenstellen hat dich doch erst in diese unangenehme Lage gebracht. Wir müssen dich wohl in Zukunft ein wenig härter anfassen. Fürs Erste genügt es, wenn du weißt, dass du unartig warst. Aber jetzt bist du ja wieder hier bei mir un d …“
    Besänftigende, leise Huhus entströmten Tante Finnys Schnabel.
    Soren schwirrte trotzdem der Kopf vor lauter Fragen. Er musste den Schnabel fest zukneifen. Anscheinend war er im Lauf der Lachbehandlung bewusstlos geworden. Er versuchte sich zu erinnern. Erst hatte jemand „Fragenalarm“ ausgerufen, dann waren die beiden grimmigen Eulen erschienen, Gelächter war aufgebraus t – ein schreckliches Gelächter! Aber warum taten ihm bloß die Flügel so scheußlich weh?
    Diesmal erstarb die Frage von selbst. Nicht, weil er sich fürchtete, sie zu stellen, sondern weil er den Kopf gewandt und seine Flügel erblickt hatte. Sie waren kahl! „Großer Glaux“, entfuhr es ihm, dann wurde er fast wieder ohnmächtig.
    „Na, na!“, machte Tante Finny. „Darum kümmere ich mich schon. Gleich geht’s dir besser. Auf die dummen kleinen Federn kannst du verzichten, die brauchst du doch gar nicht.“
    „Ich brauche meine Federn nicht?!“ Das war keine Frage. War die Betreuerin gaga? „Ich brauche meine Federn nich t …“, wiederholte Soren fassungslos und hätte beinahe gefragt, wie er dann jemals fliegen sollte. Tante Finny zermalmte etwas im Schnabel. Sie schien zu würgen, dann ergoss sich aus ihrem Schnabel ein glibberiger Brei auf Sorens Flügel. Die Schmerzen ließen schlagartig nach und Soren seufzte erleichtert.
    „Das tut gut, nicht wahr? Für diese Art Schmerzen gibt es doch nichts Besseres als Gebirgsmoos. Ab jetzt darfst du mich ‚Schwester Finny‘ nennen.“
    „Schwester Finny?“ Soren berichtigte sich hastig. „Ä h … Schwester Finny!“
    „Du lernst dazu, Liebchen, du lernst schnell dazu. Manchmal muss man ein bisschen streng werden. Aber ich gehe jetzt mal davon aus, es war dir eine Lehre und du brauchst nie mehr gerupft zu werden.“
    „Gerupft!“ Soren schnappte nach Luft. Man hatte ihn absichtlich gerupft? Es war kein Unfall gewesen?
    „Ich weiß, was du jetzt denkst!“ Sie sprach mit erstickter Stimme. „Ich bin auch nicht damit einverstanden. Leider habe ich hier nicht viel zu sagen. Ich kann mich nur, so gut es geht, um die lieben kleinen Eulenkinderchen in meiner Gruppe kümmern. Ich tue mein Möglichstes!“
    Aber Tante beziehungsweise Schwester Finny konnte nicht einmal erahnen, was Soren dachte. Sie betrachtete ihn mitleidig. Natürlich stellte sie keine Fragen, aber Soren fühlte sich genötigt zu sagen: „Tante, äh, Schwester Finn y …“ Wie man sie anredete, schien der alten Schnee-Eule äußerst wichtig zu sein. Soren wollte ausdrücken, was in ihm vorging, ohne eine Frage zu stelle n – oh ja, das Ganze war ihm wirklich eine Lehre gewesen. „Ich verstehe bloß nicht, Schwester Finny, wieso Sie so nett sind und die anderen Eulen im Glaucidium und im Gewöllorium so unfreundlich. Ja, nicht nur unfreundlich, sondern richtig gemein und das ganz ohne Grund.“
    „Nun, es gibt schon einen Grund.“
    „Es gibt einen Grund“, wiederholte Soren, ohne die Stimme zu heben. Es gelang ihm tatsächlich, nicht den Hauch einer Frage anklingen zu lassen.
    „Es festigt den Charakter.“
    „Es festigt den Charakter“, wiederholte Soren.
    „Durch sorgfältig bemessene Strafen sowie Selbstzucht

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