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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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hatte ich mir das Gefieder so weit ausgerupft, dass ich wieder wie ein Küken aussah.“
    Soren zuckte unwillkürlich zusammen.
    „Zwei kräftige Schnee-Eulen, die sich kaum von den Wolken abhoben, haben mich dann bis vor den Eingang des Sankt Äggie befördert. Dort gibt es eine Baumgruppe, unter der das Moos besonders gut gedeiht. Das Moos wird hier für die Auspolsterung der Nester verwendet. In den Bäumen wohnen zwar keine Eulen mehr, aber die Schnee-Eulen haben mich dort abgesetzt.“
    „Und du hast schon zwanzig Eier rausgeschmuggelt?“
    „Allerdings. Zu Hause in Ambala bin ich eine Heldin. Ausgerechnet ich!“ Hortense klang gar nicht mehr bescheiden.
    Soren war trotzdem skeptisch. „Das ist doch kein Zustand, Hortense! Du kannst doch nicht dein ganzes Leben hier zubringen.“
    „Die Adler würden mich jederzeit wieder abholen. Aber ich sage jedes Mal: ‚Noch zehn, zwölf Eie r – und dann.‘ Es hat mich einfach gepackt.“
    „Was du tust, ist sehr gefährlich“, gab Gylfie zu bedenken.
    „Jede wichtige Aufgabe ist gefährlich.“ Hortense machte eine Pause. „Und was ich hier tue, ist wichtig, das könnt ihr mir glauben.“
    „Wir wollen von hier fliehen. Willst du nicht mitkommen?“, fragte Soren.
    „Wie denn? Ich kann ja nicht fliegen. Ihr übrigens auch nicht.“
    „Wir lernen es noch“, entgegnete Soren in entschiedenem Ton.
    „Ach so“, erwiderte Hortense leise, aber ihre Stimme schwankte seltsam und Soren und Gylfie überlief es eiskalt. Vielleicht spürte Hortense, dass sie den beiden Angst machte, denn sie sprach in munterem Ton weiter: „Keine Bang e – ihr lernt es ganz bestimmt. Wo ein Flügel ist, ist auch ein Weg! Zeigt mir doch mal eure Flügel.“
    Soren und Gylfie breiteten die Flügel aus. „Sehr schön, sehr schön“, sagte Hortense. „Deine Deckfedern wachsen schon prima, Soren, und die äußeren Schwungfedern laufen vorn schön spitz zu. Das ist wichtig fürs Lenken, vor allem, wenn der Wind plötzlich die Richtung ändert. Die Federfahnen sind bei euch beiden noch weich, werden aber noch kräftiger. Ihr werdet bestimmt richtige Flugkünstler.“
    „Können wir mit den Adlern sprechen, wenn sie das nächste Mal hier sind?“, fragte Soren.
    „Warum nich t … Vor dem ersten Tageslicht kommen sie wieder her.“
    „Dann arbeite ich zwei Schichten hintereinander“, sagte Gylfie. „Und du richtest es so ein, dass du Pause hast, Soren.“

Rette das Ei!

    „Nummer 32-9 meldet sich zum Brutdienst.“ Neben Sorens Nest stand eine ungewöhnlich große Schleiereule. Soren kletterte hinaus und machte sich auf die Suche nach Gylfie. Die hüpfte schon den mit Geröll übersäten Pfad zu Hortenses Nest hoch.
    „Weißt du was?“, sagte Soren, als ihnen der Wind kräftig das Gefieder zauste. „Hier oben ist eigentlich der ideale Ort, um fliegen zu lernen. Hier bläst immer ein Wind, von dem man sich tragen lassen kann.“
    Als sie bei Hortense ankamen, hatte die Fleckenkäuzin schon ein Ei aus dem Nest gewälzt und rollte es an den Rand des Felsvorsprungs.
    „Können wir dir helfen?“, fragte Soren.
    „Danke, das ist nett von euch, aber das mache ich lieber allein. Je weniger Vögel mit dem Ei in Berührung kommen, desto besser für das Küken, wenn es schlüpft. Es käme sonst bloß durcheinander.“
    Nach einer Weile verkündete Hortense erfreut: „Da ist sie j a … heute mal allein. Anscheinend hat ihr Gefährte woanders zu tun. Ich werde immer noch ganz aufgeregt, wenn ich diese Prachtschwingen erspähe. Ist sie nicht wunderschön?“
    Ein weißer Kopf, heller als jeder Stern, hob sich vom blassgrauen Morgenhimmel ab. Soren war hingerissen. So hingerissen, dass er Gylfies warnendes Zischen überhörte. Er kam erst wieder zu sich, als ihn ein Schnabel fest ins Bein zwickte.
    „Soren! Jemand kommt den Weg hoch!“ Da hörte Soren es auch. Gylfie schlüpfte rasch in einen Felsspalt, aber die Öffnung war viel zu eng für ein wohlgenährtes Schleiereulenmännchen wie Soren.
    „Los, komm! Wenn du die Luft anhältst, kannst du dich auch noch reinquetschen!“, zischelte Gylfie eindringlich, doch Soren war vor Schreck wie mit dem Felsboden verwurzelt. Wenn eine Eule sich fürchtet, legt sie die Federn an und wird schlanker. So erging es jetzt auch Soren. Er schien tatsächlich zu schrumpfen, als die Angst sein Herz wie rasend klopfen ließ. Er zwängte sich in den Felsspalt, der leider nach unten hin kein bisschen breiter wurde. Hoffentlich zerdrückte er Gylfie

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