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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Schnabel in seine Federn, von denen Hortense behauptet hatte, sie wüchsen prima. Tatsächlich hatte Soren den Eindruck, dass sein Gefieder inzwischen sogar noch dichter geworden war.
    „Schau dir nur deine Federn an, Soren! Du hast sogar Fransen gekriegt. Um die beneide ich dich!“, sagte Gylfie.
    Soren fuhr sich mit dem Schnabel behutsam über die Fransen, die seine Flugfedern wie zarte Nebelschleier säumten. Seine Mutter hatte ihm eingeschärft, dass man seine Fransen täglich pflegen musste. Von allen Vögeln besaßen ausschließlich Eulen diesen Fransensaum am Rand der Feder n – und auch nur ganz bestimmte Eulenarten. Elfenkäuze hatten so etwas zum Beispiel nicht. Mit den Fransen konnten Schleiereulen wie Soren fast lautlos fliegen.
    „Fransen“, pflegte Sorens Mutter zu mahnen, „Fransen sind mindestens so wichtig wie ein spitzer Schnabel und scharfe Krallen.“ Diese Bemerkungen waren überwiegend an Kludd gerichtet. Seine Fransen hatten kurz vor Sorens Entführung zu wachsen begonnen, aber Kludd hatte nur seinem Schnabel und seinen Krallen Beachtung geschenkt.
    „Was glaubst du, Gylfie: Ob wir beim nächsten Schwinden des Mondes hier abhauen können?“
    „Bestimmt.“
    Soren betrachtete das kleine Eulenmädchen, mit dem er sich angefreundet hatte, und es gab ihm einen Stich. Gylfie hätte jetzt schon fliehen können, ihr Gefieder war mittlerweile vollständig. Mit den rotbraun und grau gesprenkelten Federn und den auffällig weißen, hübsch geschwungenen Brauen über den Augen wirkte sie so erwachsen, als könnte sie sich mühelos in die Lüfte emporschwingen.
    „Ach, Gylfie“, seufzte Soren, „ du bist doch schon längst so weit. Man braucht dich nur anzusehen.“
    Ja, Gylfie war tatsächlich zu einer äußerst anziehenden Elfenkäuzin herangewachsen. „Das haben wir doch schon besprochen, Soren. Ich warte auf dich.“
    „Weiß ich ja. Aber du darfst es dir jederzeit anders überlegen, wollte ich bloß noch mal sagen.“ Soren ruckte zweimal mit dem Kopf und legte ihn dann fragend schief.
    „Außerdem ist es uns immer noch nicht gelungen, in die Bibliothek zu kommen, und ich bin mir eigentlich sicher, das s …“
    Soren fiel ihr ins Wort. Er konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, weshalb Gylfie so wild darauf war, sich in der Bibliothek umzusehen. Die Tupfen machten ihn zwar auch neugierig, aber er konnte nicht erkennen, was sie mit ihrer Flucht zu tun haben sollten. Gut, die Bibliothek befand sich an einer höher gelegenen Stelle der Schluchtenlandschaft, wo man dem Himmel näher war. Nach Hortenses schrecklichem Tod würden sie wohl keine Gelegenheit mehr haben, sich auf den Felsvorsprung in der Brüterei zu begeben, auf dem Hortense ihr Nest gehabt hatte und von wo aus man wunderbar erste Flugversuche hätte unternehmen können.
    Eben das sprach Gylfie jetzt aus: „Mein Magen sagt mir, dass wir von der Bibliothek aus vielleicht fliehen können, wenn wir unbemerkt hineingelangen können. Aber bevor Grimbel wiederkommt, ist daran nicht zu denken.“
    „Zu blöd, dass wir Hortense nicht gefragt haben, ob sie auch meint, dass Grimbel nur halb mondwirr ist“, sagte Soren.
    „Ich glaube nicht, dass sie uns hätte weiterhelfen können. Sie hat sich doch immer nur in der Brüterei aufgehalten.“
    „Auch wieder wahr. Bloß, was nützt uns die Bibliothek, selbst wenn man von dort aus am zweitbesten fliehen kann, wenn wir noch gar nicht fliegen können? Du hast gesagt, wir müssten es lernen und sollten am besten gleich damit anfangen. Aber wir wissen übers Fliegen doch nur das, was uns unsere Eltern erzählt haben. Wir müssten erst mal lernen, von Ast zu Ast zu hüpfen. Wenn wir hier aber rumspringen und das üben, was alle fast flügge gewordenen Eulenkinder üben müssen, stürzen sich die Aufseher schneller auf uns, als du Hu! sagen kannst.“
    „Stimmt schon, wir sind noch nicht so weit. Dann müssen wir uns eben etwas einfallen lassen, wie und wo wir üben können.“
    „Ich weiß nicht, ob uns da überhaupt etwas einfallen kann. Es kommt mir viel zu gefährlich vor.“
    Als sie jedoch später im Glaucidium ihre abendlichen Grillen verspeisten, beobachtete Gylfie, dass Soren trotz seiner mutlosen Worte ganz unauffällig übte. Er hielt die Flügel abgespreizt und aufgeplustert, und auch wenn er nicht umherhüpfte, nahm er doch immer wieder die sogenannte Abflughaltung ein. Jetzt wandte er sich an 47-2, die sie bei ihrer Ankunft ins Gewöllorium eingeführt hatte. Gylfie

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