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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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dass die Bibliothek ein besonders günstiger Ort dafür wäre, dass sie dort auch das Rätsel der Tupfen lösen könnten und dass diese Erkenntnisse über Gelingen oder Scheitern ihrer Flucht entscheiden würden.
    Eines Tages, es war ungewöhnlich warm, kam Gylfie mit einer Nachschublieferung ins Gewöllorium zurück. Sie konnte ihre Aufregung nur mit Mühe verbergen. „Er ist wieder da!“, raunte sie Soren zu. „Grimbel ist wieder da! Lass dich für die nächste Schicht zum Gewölleholen einteilen.“
    Das war nicht weiter schwierig. Die nächste Schicht fiel mit der aus einer Extra-Grille bestehenden Zwischenmahlzeit zusammen, und wer da Gewölle holen musste, blieb hungrig. Darum war diese Schicht sehr unbeliebt.
    Als die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, gingen Soren und Gylfie wieder dazu über, auf dem Weg durch die Große Klamm nur noch auf der Stelle zu treten. Wie zuvor teilte sich der Zug der anderen Eulenkinder einfach, sie liefen um die beiden herum. Soren blinzelte. Er brauchte den Kopf nicht zu heben, er wusste auch so, dass über ihnen ein Stück blauer Himmel leuchtete. Er war inzwischen oft an dieser Stelle vorbeigekommen und hatte sich jedes Mal vom bloßen Gedanken an dieses Stückchen Himmel erfrischt gefühlt. Er spürte es sogar mit geschlossenen Augen. Als alle anderen Eulenkinder vorbeimarschiert waren, gab ihm Gylfie das verabredete Zeichen und sie bogen in den schmalen Gang zur Bibliothek ab.
    Gylfie ging voran. Soren hatte schreckliche Angst. Wenn sich Gylfie nun geirrt hatte und Grimbel doch mondwirr war? Wenn er Alarm schlug? Wenn er und Gylfie sich daraufhin einer Lachbehandlung unterziehen mussten? Allein bei der Vorstellung krümmte er sich, und es kribbelte ihn vom Dunenflaum bis in die frisch gesprossenen Federn.
    Grimbel hielt vor dem Eingang zur Bibliothek Wache. Andere Eulen waren nicht zu sehen. Soren spürte einen Luftzug, wusste aber sogleich, dass es der Wind war. Abermals durchfuhr ihn ein Freudenschauer wie seinerzeit oben bei Hortenses Nest. Dann begann eine der seltsamsten Unterhaltungen, die Soren je erlebt hatte.
    „Ihr seid gekommen“, sagte Grimbel.
    „Wir sind gekommen“, erwiderte Gylfie.
    „Euer Verhalten könnte schlimme Folgen nach sich ziehen“, sagte der große Raufußkauz vage.
    „Das Leben, das wir hier fristen, ist keine zwei Gewölle wert. Wir haben nichts zu verlieren“, gab Gylfie zurück.
    „An Mut scheint es dir nicht zu mangeln.“
    „Das ist noch gar nichts. Warte nur, bis ich meine Fragen stelle. Dafür braucht man erst Mut!“
    Soren schwanden fast die Sinne. Wie konnte Gylfie nur das Wort aussprechen!
    Ein krampfhaftes Zittern überlief Grimbel. „Du hast das Wort mit F gesagt.“
    „Jawohl, und ich sage auch noch ‚Was‘, ‚Wann‘ und ‚Warum‘ und alle möglichen anderen Wörter, die freie, nicht mondwirre Eulen ohne Scheu aussprechen. Denn mein Freund und ich, wir sind wie du, Grimbel.“
    Grimbel keuchte erstickt: „W…wie?“
    „Wie ich darauf komme? Wolltest du das fragen? Dann frag mich doch, Grimbel! Frag mich, woher ich das weiß, und ich habe darauf nur eine einzige Antwort, nämlich: Das sagt mir mein Magen.“
    „Magen?“ Grimbel blickte mit einem Mal wehmütig drein.
    „Jawohl, Magen. Bei meinem Freund und mir macht der Magen nämlich noch, was er soll. Und darum glauben wi r … Wir spüren, dass du nicht mondwirr bist. Du tust nur so, als ob, wie wir beide auch.“
    „Nicht ganz.“
    Der Raufußkauz blinzelte und ein Häutchen schob sich über sein Auge. Soren hatte das schon gesehen. Man nannte es „Nickhaut“. Seine Eltern hatten erklärt, dass ihm dieses Häutchen später einmal bei seinen ersten Flugversuchen sehr nützlich sein würde. Es sorgte dafür, dass der Blick beim Fliegen klar blieb, und schützte das Auge vor umherfliegenden Schmutzkörnchen.
    Aber Grimbel flog doch gerade gar nicht, im Gegenteil, er stand nahezu reglos da. Warum blinzelte er dann so heftig mit der Nickhaut? Dann sah Soren die dicken Tränen in den Winkeln der gelben Augen.
    „Ach, wäre ich doch bloß unwiderruflich mondwirr! Wäre ich doch blo ß …“
    „Ja, aber wieso, Grimbel?“, fragte Soren behutsam. „Wieso?“
    „Das kann ich euch hier und jetzt nicht erklären. Ich komme heute Nacht in euer Glaucidium. Ich besorge euch eine Ausgangserlaubnis. Das dürfte kein Problem sein, denn der Mond erneuert sich gerade. Trotzdem muss ich euch warnen: Was ihr vorhabt, ist lebensgefährlich! Mehr noch, euch könnte

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