Die Legende der Wächter 3: Die Rettung
dass du sehr wohl dazugehörst!“
„Meinen Sie wirklich, Mr s Plithiver?“
„Und ob ich das meine.“
Als Eglantine in die Schlafhöhle zurückkehrte, fühlte sie sich sehr getröstet, ja, sie verspürte sogar ein klein bisschen Vorfreude auf das kommende Abenteuer.
Das Erntefest
Die Bewohner des Großen Ga’Hoole-Baums kannten vier Jahreszeiten. Der Winter hieß bei ihnen „die weiße Zeit“, der Frühling „die silberne Zeit“, der Sommer „die goldene Zeit“ und der Herbst „die kupferrote Zeit“, je nach der Färbung der Milchbeerenranken, die in Hülle und Fülle von den Ästen des Baums herabhingen. Die schmackhaften Früchte bildeten auch den Hauptbestandteil der fleischlosen Kost. Aus den reifen Beeren kochten die Eulen Tee, Aufläufe und Suppen, sie buken daraus duftendes Brot und köstliche Kuchen. Getrocknet waren die Beeren eine echte Kraftnahrung, auch andere Speisen konnten damit gewürzt werden.
In der kupferroten Zeit, die nun angebrochen war, waren die Beeren dick und prall. Während der Ernte wichen die Eulen von ihren üblichen Gewohnheiten ab und blieben sogar tagsüber wach. Die Ga’Hoolologie-Ryb, eine ältere Höhlenkäuzin namens Wamme, beaufsichtigte die Arbeit. Die ganze letzte Woche hatten Soren und seine Freunde in wechselnden Schichten die Beerenranken gepflückt.
„Denkt dran, Kinder, die Ranken dürfen erst unter dem dritten Knötchen abgeknipst werden!“, rief Wamme, als die Jungeulen an ihr vorbeiflogen. „Sonst sprießen in der silbernen Zeit keine neuen Triebe.“
Soren und seine Freundin Primel, eine Sperlingskäuzin, flogen nebeneinander. Jeder hielt ein Ende der von Früchten schweren Ranke im Schnabel.
Primel verdrehte die Augen. „Das erzählt sie uns jetzt schon zum ich weiß nicht wievielten Mal. Ein Glück, dass keiner von uns in der Ga’Hoolologie-Brigade gelandet ist.“
„Allerdings“, pflichtete ihr Soren bei. „Schlimm genug, dass wir an ihrem Unterricht teilnehmen müssen. Ich hatte schon Angst, dass Eglantine in ihre Brigade kommt.“
„Ausgeschlossen! Ich hab gleich gewusst, dass deine Schwester mit ihrem feinen Gehör in die Rettungsbrigade gehört. Sie ist zur Retterin geradezu geschaffen.“
Soren musste an ihren Plan denken, gleich nach dem Einbringen der letzten Ranken ins Grenzgebiet zwischen den Ödlanden und Silberschleier aufzubrechen.
Da erschollen auf einmal von überall her Jubelrufe. Liebliche Harfenakkorde erklangen und Madame Plonk und Wamme stimmten die Erntehymne an:
Geliebter Baum, wir wollen dir danken!
Du schenkst uns die Früchte deiner Ranken,
Du spendest uns deine köstlichen Beeren,
Welche uns stärken und ernähren.
In sengender Hitze, bei bitterem Frost
Sind sie unsere liebste Kost.
Ihr Saft geht uns direkt ins Blut,
Schenkt Kräfte uns und neuen Mut.
Auf ewig wollen wir dich ehren,
Deine Rinde, Wurzeln, Ranken und Beere n …
Der getragene Gesang wurde von einem anderen Lied übertönt. Soren erkannte Bubos heisere Stimme. Der Schmied grölte schallend:
Trinkt, trinkt auf Ga’Hoole,
Bula, bula, bula, buhl!
Hinunter damit in den Muskelmagen,
Dann hüpft und bebt er vor Behagen!
Die anderen Eulen fielen sogleich in das Trinklied ein. Otulissa kam angeflogen und setzte sich neben Primel und Soren auf den Ast. „Habt ihr Madame Plonk gesehen? Sie scharwenzelt mit einer Rose im Schnabel umher und wackelt dabei äußerst ungehörig mit dem Schwanzgefieder! Und Wamme hatte noch gar nicht zu Ende gesungen, als dieser ungehobelte Uhu sie mit seinem ordinären Lied unterbrochen hat. Unerhört!“
Wenn sie noch ein Mal „unerhört!“ sagt, gebe ich ihr mit dem Schnabel eins über den Schädel, dachte Soren. Dann würden der Fleckenkäuzin mal die Flecken vor den Augen tanzen! Doch er beherrschte sich und entgegnete nur: „Pluster dich nicht so auf, Otulissa! So geht es eben zu bei einem Fest. Da kann man nicht die ganze Zeit feierliche Hymnen singen.“
„Stimmt“, sagte Primel. „Ein Fest muss Spaß machen. Hoffentlich lerne ich heute ein paar neue Schleimpupser-Witze.“
„Wie bitte?“ Otulissa war schockiert. „Hast du vergessen, dass es streng verboten ist, bei den Mahlzeiten Schleimpupser-Witze zu erzählen?“
„Ich habe gehört, dass die Erwachsenen, wenn sie ordentlich Milchbeerenwein gebechert haben, selber einen Witz nach dem anderen reißen.“
„Strix Struma macht dabei bestimmt nicht mit.“ Strix Struma war eine ältere Fleckenkäuzin und Ryb für Navigation. Sie wurde von den
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