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Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Titel: Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Kampfkrallen gerieten die Kunden oftmals ins Plaudern. Diese Schnee-Eule allerdings war nie auch nur in Versuchung geraten, als Lauschgleiterin zu arbeiten.
    Als sie nun die Maske vor Kludds verwüstetem Gesicht befestigte, fiel ihr auf, dass sich dieser Kunde untypisch verhielt. Er sprach kein einziges Wort, schwieg geradezu verbissen. Doch hinter seinem Schweigen lauerte etwas Böses, das spürte die Schmiedin. Sie wünschte sich, der Schleiereulerich würde etwas sagen, damit sie herausbekam, was ihn beschäftigte. Schnee-Eulen besitzen ein ausgeprägtes Gespür für Gefahren, Wetterumschwünge und Himmelserscheinungen. Die Schmiedin erwog zum ersten Mal in ihrem Leben ernsthaft, sich doch als Lauschgleiterin zu betätigen.
    Da kam ihr eine Idee. Sie hüstelte und sagte: „Ich habe übrigens kürzlich ein ganz neues Kampfkrallenmodell entwickelt. Viele meiner Kunden sind davon sehr angetan. Die Krallen sind leicht, aber unübertroffen scharf. Wenn einer Eurer Offiziere sie mal ausprobieren möchte, passe ich ihm gern ein Paar in meiner Werkstatt an. Kostet auch nichts.“
    „Die Krallen sind leicht?“, fragte der Hohe Tyto.
    „Sehr leicht und der Schliff ist neuartig. Dringen durchs Fleisch des Gegners bis auf die Knochen.“ Das Interesse des Hohen Tyto war geweckt, das spürte die Schmiedin deutlich. „Ich bin übrigens seinerzeit bei dem Schmied auf der Schwarzhuhninsel in die Lehre gegangen“, setzte sie rasch hinzu.
    „Auf der Schwarzhuhninsel in den Nordlanden?“
    „Jawohl, mein Her r … ä h … jawohl, Euer Reinheit.“
    „Holt mir sofort Wortmore her!“, befahl Kludd.
    Der Schnee-Eule wurde es ein bisschen flau im Magen. Wortmore war der Leutnant, der ihr zugesetzt hatte, als sie sich hatte weigern wollen, Kludd eine Maske anzufertigen. Ausgerechnet ihm sollte sie jetzt Kampfkrallen anpassen.
    Die Schmiedin hämmerte schon die dritte Kampfkralle für Wortmores linken Fuß zurecht, damit sie wie angegossen passte. Sie war so nervös, dass ihre Zehen zitterten, aber sonst ließ sie sich nichts anmerken.
    „Der Hohe Tyto und ich sind nämlich gleich groß. Wenn die Kampfkrallen mir passen, passen sie ihm auch.“ Diesmal war Wortmore in Plauderlaune. Er hatte sich sogar dafür entschuldigt, dass er der Schmiedin ein paar schmerzhafte Schnabelhiebe verpasst hatte. „Aber Befehl ist nun mal Befehl“, hatte er hinzugesetzt. Und im Flüsterton gab er zu, dass er eine kleine Schwäche für Schnee-Eulen habe.
    Wie reizend, dachte die Schmiedin, aber sie hielt den Schnabel, bis Wortmore eine Pause machte. Dann fragte sie: „Wenn dem Hohen Tyto die Kampfkrallen gefalle n – wie viel Paar braucht er dann ungefähr?“
    „Nun ja, er wird sicherlich seine Leibwache damit ausstatten wollen. Macht mindestens achtzig Paar.“
    „Ganz schön viele.“
    „Und das ist nur seine Leibwache! Wir haben noch viele andere Truppeneinheiten, und nach der Großen Sammlung wird sich die Leibwache zahlenmäßig verdreifacht haben.“ Wortmore unterbrach sich und schien im Geist nachzurechnen.
    „Die Große Sammlung?“, wiederholte die Schmiedin fragend.
    „Ja. Die findet auf Kap Glaux statt.“
    Auf Kap Glaux! Der Schmiedin wurde einiges klar. Die windumtoste Landzunge ragte in jenen Teil des Hoolemeers hinaus, wo der Wellengang und die Strömung am tückischsten waren. Von dort aus war die Flugstrecke zur Insel Hoole am kürzesten, wenn auch am gefährlichsten. Nur wenige Vögel wagten hier die Überquerung, eigentlich nur die Wächter von Ga’Hoole und ab und zu ein Adler. Adle r … das war die Lösung! Die Schmiedin musste das Adlerpaar aufsuchen, das in Ambala sein Nest mit der wunderlichen Fleckenkäuzin Nebel teilte. Nebel war eine Lauschgleiterin. Vielleicht wusste sie etwas über diese merkwürdige „Sammlung“ am Kap Glaux.
    Kaum war Wortmore mit blitzenden Kampfkrallen davongeflogen, suchte die Schmiedin ihre spärlichen Habseligkeiten zusammen. Sie musste auf jeden Fall umziehen, denn sie hatte nicht vor, die Reinen mit Kampfkrallen zu beliefern. Sie hatte gern hier in den Wäldern gelebt, aber sie konnte ihre Schmiede auch anderswo aufschlagen. In Ambala zum Beispiel, denn da wollte sie ja sowieso hin, um sich mit den Adlern zu beraten. Die Schmiedin verstaute Hammer, Zangen, ein paar Arbeitsproben und ihre Blechkiste mit glühenden Holzkohlen in einem Sack, den sie vor Jahren aus Fuchsfell angefertigt hatte. Sie zog die Kordel zu, nahm den Sack in die Fänge und schwang sich in die Lüfte.

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