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Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Titel: Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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verstehst mich nicht, Gylfie! Die Bibliothek hier ist wirklich einmalig. Ich habe schon so viel über Tupfitis herausgefunden; ich muss mit jemandem darüber sprechen! Nicht nur über Tupfitis, sondern auch über kaltes Feuer, Eisflammen und dergleichen.“
    „Kannst du doch. Du brauchst nur während der nächsten Redezeit in die Studierstuben neben der Bibliothek zu gehen.“
    „Schon, aber da komme ich nie zu Wort.“
    „Wie bitte? Ausgerechnet du kommst nicht zu Wort?“
    „Die Glaux-Brüder verständigen sich ja meistens, ohne zu reden. Und wenn sie dann doch mal reden dürfen, schweigen sie trotzdem die meiste Zeit. Das Gespräch in den Studierstuben bricht immer wieder ab. Aber in den Pausen kommt es mir vor, als würden sie sich stumm weiterunterhalten und ich wäre davon ausgeschlossen.“
    „Tj a …“, seufzte Gylfie ratlos. Arme Otuliss a – da sprach sie nun als Einzige der Brigade fließend Krakisch und hatte sogar noch unterwegs unregelmäßige Verben geüb t – und jetzt konnte sie ihr Wissen gar nicht anwenden!
    „Soll ich vielleicht mal mitkommen?“, bot Gylfie ihr an.
    „Das wäre toll! In der Bibliothek steht übrigens auch ein mehrbändiges Werk über den Krieg der Eisklauen und andere Schlachten. Darin finden wir bestimmt viele nützliche Tricks, die wir bei der Eroberung von Sankt Ägolius anwenden können. Schließlich haben Boron und Barran mich hierhergeschickt, weil sie meinen Plan in die Tat umsetzen wollen. Das Parlament zählt auf uns, Gylfie!“
    Sie hat ‚uns‘ gesagt! Dass die Fleckenkäuzin Gylfie mit einbezog, war sicher nett gemeint. Tatsächlich war die Eroberung ganz allein Otulissas Idee gewesen.
    Wenn es wirklich dazu kam, dann würde es der größte und bedeutendste Kriegszug der Geschichte werden. Sein Ausgang würde über die Zukunft aller Eulenvölker entscheiden. In einer einzigen Nacht sollten Tausende von Kriegern aller Eulenarten auf der Insel Hoole starten und die rund siebzig Flugstunden bis zum Sankt-Ägolius-Internat für verwaiste Eulen zurücklegen. Dort bereiteten sich die Reinen darauf vor, mithilfe der Tupfen die gesamte Eulenheit zu unterwerfen.
    Die Wächter brauchten für den geplanten Eroberungsfeldzug jedoch nicht nur Verstärkung aus den Nordlanden, sie mussten sich auch umfassend über die von Tupfen verursachte Krankheit „Tupfitis“ informieren. Dafür gab es keinen geeigneteren Ort als die Bibliothek der Glaux-Brüder.
    Das Leben in der Bruderschaft folgte einem festen Ablauf: Die Nachtstunden wurden nicht wie im Großen Baum für Brigadeübungen genutzt, sondern dienten der Andacht. Die glühenden Holzkohlen für ihre Feuerstellen bekamen die Brüder von freien Glutsammlern, mit denen sie im Gegenzug ihr Wissen über Kräuter teilten. Die Glaux-Brüder flogen abwechselnd in kleinen Gruppen auf die Jagd. Übers Navigieren wussten sie wenig, da sie stets in der Nähe ihres Baumkreises blieben. Ihre Unterkünfte lagen erfreulicherweise nicht unter der Erde wie die der Glaux-Schwestern. Sie bewohnten Baumhöhlen in den Birken. Auf das Nachtmahl folgte ein mehrstündiger Andachtsflug. Anschließend traf man sich zum Austausch über Kräuterkunde, Literatur und Wissenschaft.
    Als Gylfie und Otulissa an diesem Abend die Studierstube betraten, herrschte Schweigen. In einem Winkel hockte ein zerrupfter, alter Kreischeulerich, der Gylfie schon vorher aufgefallen war. Er konnte offenbar nicht mehr selbstständig fressen und wurde von zwei Pflegern, einer Sumpfohreule und einer älteren Kjellschlange gefüttert. Die Kjellschlange sog zwischendurch mit ihrer gespaltenen Zunge dunkelroten Saft aus einem Becher.
    Auf den Andachtsflügen wurde der Kreischeulerich stets von der Sumpfohreule begleitet. Er kam Gylfie irgendwie bekannt vor, aber ihr fiel nicht ein, woher.
    Für ihn galt offenbar kein so strenges Schweigegebot wie für die anderen Brüder, denn seine Begleiterin raunte ihm während der Andachtszeiten öfter etwas ins Ohr. Vielleicht genossen Alte und Kranke ja gewisse Vorrechte. Allerdings hatte Gylfie den Alten noch nie selbst etwas sagen hören. Er schien in seinem Winkel vor sich hin zu dämmern, seine gelben Augen hatten einen leeren Blick. An wen erinnerte er sie bloß? Gylfie beschloss, sich ihm beim nächsten Andachtsflug zu nähern.
    Otulissa hatte es auf jemand ganz anders abgesehen, nämlich auf einen Artgenossen. Der junge Fleckenkauz war ausgesprochen hübsch und hatte einen überaus eleganten Flugstil.
    Bei der nächsten

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