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Die Legende der Wächter – Der Zauber

Die Legende der Wächter – Der Zauber

Titel: Die Legende der Wächter – Der Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Coryn platzte schier vor Spannung. „Bitte erzählt weiter!“
    Ein Kind, das seinen Vater retten will …, dachte Coryn. Wie anders als bei mir! Würde ich es jemalswagen, meine Mutter zu retten? Oder die Gebeine meines Vaters zu suchen?
    Sorens Magen erschauerte und ein eisiger Windstoß schien durch seine hohlen Knochen zu fahren. „Ich weiß noch wie heute, was Bess gesagt hat.“
    „Erzähl!“
    „Ja, erzähl du weiter, Soren“, bat auch Gylfie.
    Soren war von ihnen allen der beste Geschichtenerzähler. Als die grausamen Eulen von Sankt Äggie ihn und Gylfie hatten mondwirr machen wollen, hatte er sie beide davor bewahrt, indem er die Legenden von Ga’Hoole erzählt hatte. Er erzählte so ausdrucksvoll, dass die Worte ganz neue, tiefere Bedeutungen annahmen.
    Doch was er Coryn jetzt erzählen würde, war nicht irgendeine Geschichte. Er würde seinem Neffen von einem geheimen Ort erzählen, über den bis jetzt nur ganz wenige, auserwählte Eulen Bescheid wussten, nämlich nur die Viererbande sowie Otulissa. Auch der verstorbene Ezylryb und die in der Schlacht gefallene Strix Struma hatten davon gewusst, und zwei Nesthälterinnen waren ebenfalls eingeweiht: Oktavia und Mrs Plithiver.
    Dieser geheime Ort war das Nebelschloss.

„Wir hatten uns während des Erntefestes verdünnisiert“, begann Soren. „Das war immer eine gute Gelegenheit. Die älteren Eulen waren im Nu beschwipst von Milchbeerenwein und süßem Beerenmet. Das Tanzen und Singen dauert ja mindestens drei Tage. Uns vermisste so bald keiner. Damals wurde den Jungeulen ohnehin nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Als uns vieren in den Sinn kam, dass wir reich werden wollten, lebten wir seit ungefähr einem Jahr im Baum, wenn’s hochkommt, dreizehn Monde. Wie Gylfie vorhin schon sagte, wir wollten Krämer-Ellie Konkurrenz machen. Otulissa wollte mit der Sache nichts zu tun haben. Außerdem regnete es in der betreffenden Nacht. Wozu nass werden, wenn es im großen Saal trocken war und so fröhlich zuging?, meinte sie.“
    „Andererseits stand der Wind unglaublich günstig“, warf Morgengrau ein. „Regen hin oder her, der Wind kam von achtern und wir flogen so schnell wie selten.“
    „Ich erinnere mich“, bestätigte Digger. „Im Morgengrauen waren wir schon am Kap Glaux.“
    „Aber woher habt ihr gewusst, wo ihr mit der Suche nach einer noch unentdeckten Ruine anfangen musstet?“, fragte Coryn.
    Soren blinzelte und antwortete in seiner ruhigen Art: „Gute Frage. Immerhin waren wir so schlau, es gar nicht erst in Silberschleier zu versuchen. Dort kannte Ellie längst sämtliche Burgen. Der Schattenwald dagegen war noch so gut wie unerforscht. Dort stehen die Bäume so dicht, dass die Anderen wenig Platz hatten, um ihre Steinhöhlen zu errichten.
    Wir waren jung und unbekümmert. Zwar hatten wir schon einmal einen Krähenüberfall erlebt, aber wir nahmen uns vor, diesmal besser aufzupassen. Wir beschlossen, am frühen Morgen auf die Jagd zu fliegen, dabei aber immer zusammenzubleiben. Abends wollten wir dann einzeln losziehen und den Wald systematisch abfliegen.“
    Coryn hörte gespannt zu. Was für ein Abenteuer! Eine Schatzsuche statt einer Jagd – Edelsteine statt Blut. Aber vor allem: Kameradschaft. Vier wagemutige junge Eulen, die sich zu einer gemeinsamen Unternehmung heimlich davonstahlen.
    „Am Abend des zweiten Tages hatten wir immer noch keinen Erfolg gehabt. Die Zeit wurde allmählichknapp. Wir mussten bald zum Großen Baum zurückkehren. Aber diese eine Nacht wollten wir noch nutzen. Wieder flog jeder in eine andere Richtung und Gylfie …“ Soren unterbrach sich. „Am besten erzählst du selbst weiter, Gylfie.“
    Gylfie fuhr sich erst mit dem Schnabel durchs Gefieder, bevor sie Sorens Bericht fortsetzte. „Im Schattenwald gibt es eine Stelle, wo sich die Bäume über ein tiefes Tal neigen. Man findet die Stelle nur, wenn man sehr hoch fliegt und genau hinschaut. Wenn man sich dann tiefer sinken lässt, sieht man, dass die silbernen Fluten eines Wasserfalls aus großer Höhe in das Tal hinabstürzen. Mir sind zuerst die Dunstwolken aufgefallen, die über dem Wasserfall aufstiegen und in der Luft hingen. Man konnte nicht mehr unterscheiden, wo Land und Himmel anfingen und aufhörten. Das Tal schien in der Mitte zwischen beidem zu schweben. Auf einmal erkannte ich in dem Dunst Umrisse, so wie man in den Wolken manchmal Gestalten erkennt. Aber dann ging mir auf, dass es sich nicht um flüchtige Fantasiegebilde handelte,

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