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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Vergangenheit. Von einem Tag zum anderen bewahrte er nur das Wissen, das für sein Überleben notwendig war. Er erinnerte sich nicht, wie viele Mäuse er vor zwei Nächten getötet hatte, sondern nur an wichtige Dinge, zum Beispiel, welcher Wildwechsel die beste Kaninchenhatz versprach oder wo der Bach so starke Strömung hatte, daß er niemals zufror.
    So kam es, daß ich ihn auf diese sonderbare Art jagen lehrte. Anfangs waren wir nicht sehr erfolgreich. Nach wie vor stand ich frühmorgens auf, um ihm Futter zu bringen. Ich sagte mir, es wäre nur ein kleiner Teil meines Lebens, den ich mir selbst vorbehielt. Wie der Wolf gesagt hatte, tat ich nicht etwas wider die Natur, es war meine Natur. Außerdem gelobte ich mir selbst, streng darauf zu achten, daß diese Bindung sich nicht verfestigte. Bald, sehr bald, war er in der Lage, sich selbst zu ernähren, und ich konnte ihn in die Freiheit entlassen. Manchmal, wenn mir das Gewissen schlug, beschwichtigte ich mich damit, daß ich ihm nur deshalb in meine Träume Einlaß gewährte, damit der Zeitpunkt der Trennung um so schneller kam. Ich weigerte mich, mir auszumalen, was Burrich dazu sagen würde.
    Eines Morgens kehrte ich von meinem Besuch bei Cub zurück und sah zwei Soldaten im Küchenhof einen Übungskampf im Stockfechten austragen. Sie umkreisten sich lauernd, fintierten, parierten und warfen sich gegenseitig freundschaftliche Beleidigungen an den Kopf. Den Mann kannte ich nicht, und im ersten Moment dachte ich, beide wären Fremde. Dann wurde die Frau meiner ansichtig. »Ho, FitzChivalric! Auf ein Wort!« rief sie, doch ohne den Stab ruhen zu lassen.
    Ich starrte sie an und versuchte, ihr Gesicht unterzubringen. Ihr Gegner verpatzte eine Parade, sie lohnte es ihm mit einem kurzen, trockenen Schmitz, und als er einen erschreckten Luftsprung vollführte, lachte sie laut – hell und wiehernd, unverkennbar. »Krakeel?« fragte ich ungläubig.
    Die Frau zeigte mir breit lächelnd die berühmte Zahnlücke, duckte sich unter einer Riposte hinweg und sprang zurück. »Ja«, bestätigte sie atemlos. Ihr Übungsgegner, der sie abgelenkt sah, senkte höflich den Stab, was sich als Fehler herausstellte, denn Krakeel nutzte seine Blöße, um einen weiteren Punkt zu machen. Mit so viel Geschick, daß es beinahe träge aussah, fuhr sein Stab in die Höhe, um sie abzublocken. Wieder lachte sie und hob die Hand, um eine Kampfpause zu erbitten.
    »Ja«, wiederholte sie und wandte sich mir zu. »Ich bin gekommen – das heißt, man hat mich ausgewählt, mit dir zu sprechen und dich um einen Gefallen zu bitten.«
    Ich deutete auf die Kleidung, die sie trug. »Sehe ich das richtig, du bist aus Veritas’ Garde ausgetreten?«
    Sie zuckte die Schultern, aber ihr Gesicht verriet, daß sie sich freute, darüber sprechen zu können. »Ja, aber weit bin ich nicht gegangen. Garde der Königin. Fähenwappen. Siehst du?« Sie zog das Vorderteil ihrer kurzen weißen Jacke glatt. Derbes, haltbares Leinen und, darauf eingestickt, ein zähnefletschender weißer Fuchs auf purpurnem Hintergrund. Purpurn wie ihre Hosen aus dickem Wollstoff, die in hohen Schaftstiefeln staken. Ihr Partner war ebenso gekleidet. Garde der Königin. Unter dem Aspekt von Kettrickens Abenteuer ergab diese Uniform einen Sinn.
    »Veritas hat beschlossen, daß sie eine eigene Leibgarde haben soll?« fragte ich erfreut.
    Krakeels Lächeln wurde etwas schmaler. »Nicht unbedingt«, wich sie aus, und dann nahm sie Haltung an, als wäre ich ihr vorgesetzter Offizier, dem sie Meldung zu machen hatte. »Wir haben beschlossen, daß sie eine Leibgarde braucht. Ich und ein paar von den anderen, die bei dem Suchtrupp waren. In den Tagen danach haben wir über alles gesprochen. Wie sie sich geschlagen hat, da draußen. Und hier. Und daß sie ganz allein in einem fremden Land ist. Dann kamen wir darauf, jemand sollte um Genehmigung nachsuchen, für sie eine Leibgarde aufzustellen, aber keiner von uns wußte so richtig, wie man das anstellt. Wir sahen die Notwendigkeit, aber niemand sonst schien sich darüber Gedanken zu machen. Doch letzte Woche, am Tor, hörte ich, wie du wütend geworden bist, weil man sie einfach hatte gehen lassen, allein, zu Fuß und ohne Schutz. O ja! Ich war in der Torstube, und ich habe jedes Wort gehört.«
    Ich schluckte meinen Protest hinunter, nickte knapp, und Krakeel fuhr fort. »Na gut. Dann haben wir’s einfach getan. Die von uns, die meinten, sie wollten Purpur und Weiß tragen, haben sich gemeldet.

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