Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Es ging mehr oder weniger halbe-halbe aus. Ohnehin war es höchste Zeit für etwas frisches Blut, die meisten von Veritas’ Garde wurden allmählich alt. Und bequem, vom Herumsitzen in der Burg. Also haben wir uns neu formiert; es gab Beförderungen, die lange fällig gewesen wären, wenn sie oben nur etwas bewegt hätten, und die Basis wurde mit neuen Rekruten aufgefüllt. Es funktionierte wunderbar. Die neuen auszubilden wird auch uns wieder mehr Biß geben, und die Königin hat ihre eigene Leibwache, wenn sie sie möchte. Oder braucht.«
»Ich verstehe.« Mir wurde unbehaglich zumute. »Und was ist das für ein Gefallen, den ich dir tun soll?«
»Du sollst es Veritas erklären. Daß seine Königin eine Leibgarde hat.« Sie sagte es ohne Umschweife.
»Was ihr getan habt, grenzt an Insubordination«, entgegnete ich ebenso offen. »Soldaten von Veritas’ eigener Leibgarde, die seine Farben ablegen, um die der Königin zu tragen…«
»Manche sehen es vielleicht so. Manche reden vielleicht so.« Unsere Blicke trafen sich, das Lächeln war von ihrem Gesicht verschwunden. »Aber du solltest es besser wissen. Dein… Chivalric hätte daran gedacht, und sie wäre bereits von einer eigenen Garde hier empfangen worden. Aber König-zur-Rechten Veritas, nun, dies ist keine Insubordination ihm gegenüber. Wir haben ihm treu gedient, weil wir ihn lieben. Ich würde sagen, wir, die wir immer auf seinen Rücken geachtet haben, sind zurückgefallen und haben uns neu formiert, um Angriffen aus einer neuen Richtung begegnen zu können. Das ist alles. Er hat eine gute Königin, das ist unsere Meinung. Wir möchten nicht erleben, daß er sie verliert. Basta. Wir haben deshalb nicht weniger Respekt vor unserem König-zur-Rechten. Du weißt das.«
Ja, ich wußte es. Trotzdem. Ich wandte vor ihrer fragenden Miene den Blick ab, schüttelte den Kopf und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Warum ich? Aber ich wußte genau warum. Als ich am Tor die Beherrschung verloren und die Wächter abgekanzelt hatte, war abzusehen gewesen, daß es zu einer Situation wie dieser kommen würde. Burrichs Warnung, mich nicht zu weit vorzuwagen… »Ich rede mit dem König-zur-Rechten Veritas. Und mit der Königin, sofern er sein Einverständnis gibt.«
Krakeel zeigte mir wieder ihr Lächeln. »Wir wußten, du würdest uns den Gefallen tun. Danke, Fitz.«
Damit wirbelte sie leichtfüßig herum und näherte sich, den Stab halb erhoben, tänzelnd ihrem Partner, der widerwillig zurückwich. Seufzend wandte ich mich ab. Ich hatte gehofft, Molly zu begegnen, wenn sie hier Wasser holte, aber sie war nicht gekommen, und enttäuscht verließ ich den Küchenhof.
In den letzten paar Tagen hatte ich es zur Meisterschaft darin gebracht, mich selbst zu quälen. Ich blieb standhaft bei meinem Vorsatz, Molly nicht zu besuchen und nicht mit ihr zu sprechen, doch ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie zu beschatten. Zum Beispiel betrat ich die Küche, sobald sie gegangen war, und bildete mir ein, ich könnte noch ihren Duft riechen, der in der Luft hing. Oder ich suchte mir abends in der großen Halle einen Platz, von dem aus ich sie beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ganz gleich, was an Kurzweil geboten wurde, Sänger oder Dichter oder Puppenspieler, oder ob man nur zusammengekommen war, um zu schwatzen und dabei kleine Arbeiten zu verrichten, meine Augen suchten Molly. Wie ernst und züchtig sie aussah in ihrem dunkelblauen Rock und der dunkelblauen Bluse, und nie hatte sie einen Blick für mich. Immer redete sie mit den Burgfrauen, oder an den seltenen Abenden, wenn Philia sich entschloß herunterzukommen, saß sie neben ihr und machte sie zum Mittelpunkt einer Aufmerksamkeit, die leugnete, daß es mich überhaupt gab. Manchmal dachte ich, mein kurzes Zusammensein mit ihr wäre nur ein Traum gewesen. Doch später ging ich dann auf mein Zimmer und holte das Hemd hervor, das ich zuunterst in meiner Kleidertruhe versteckt hatte, und wenn ich mein Gesicht darin vergrub, glaubte ich immer noch, einen letzten Hauch ihres Duftes wahrnehmen zu können. Und so faßte ich mich in Geduld.
Etliche Tage waren vergangen, seit wir die Entfremdeten auf ihrem Scheiterhaufen verbrannt hatten. Abgesehen von der Gründung der Fähengarde gab es noch einige Veränderungen innerhalb und außerhalb der Burg. Zwei weitere Schiffsbaumeister waren unaufgefordert erschienen, um bei der Entstehung der Flotte mitzuarbeiten. Veritas war hocherfreut gewesen, Königin
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