Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
nicht. Wenn ich darüber nachdenke, halte ich es doch nicht für wahrscheinlich. König Weise ist auf eine lange Ausfahrt gegangen, um die Uralten zu finden. Wenn er einfach zu ihnen gedacht haben könnte, wozu die Mühe?«
    »Allerdings. Aber manchmal treffen vorschnelle Antworten nicht weit neben das Ziel. Löse mir dieses Rätsel, Junge. Ein König lebt. Ebenso ein Prinz. Und beide kundig der Gabe. Aber wo sind die, die mit dem König lernten oder vor ihm? Woher dies, dieser Mangel an der Gabe Kundigen, wenn wir ihrer so dringend bedürfen?«
    »In Friedenszeiten werden nur wenige ausgebildet. Galen hielt es nicht für angebracht, Schüler zu nehmen, bis zu seinem letzten Jahr. Und die Kordiale, die er schuf…« Ich schwieg. Was Veritas mir im Vertrauen über die Gabe erzählt hatte, war nicht für andere Ohren bestimmt.
    Der Narr sprang im Kreis um mich herum. »Wenn der Schuh nicht paßt, kann man ihn nicht tragen, wer auch immer ihn gemacht hat«, deklamierte er dabei.
    Ich nickte widerwillig.
    »Und er, der ihn gemacht hat, ist dahingegangen. Traurig. Furchtbar traurig. Trauriger als ein Braten auf dem Tisch und roter Wein im Glas. Doch er, der gegangen ist, wurde seinerseits ausgebildet.«
    »Von Solizitas. Aber sie ist ebenfalls tot.«
    »Aha. Aber Listenreich nicht. Und nicht Veritas. Mir scheint, wenn zwei, die sie schuf, noch atmen, müßte es andere geben. Wo sind sie?«
    Ich zuckte die Schultern. »Verschwunden. Alt. Gestorben. Ich weiß es nicht.« Trotz meiner Ungeduld bemühte ich mich, über die Frage nachzudenken. »König Listenreichs Schwester. Frohsinn. Augusts Mutter. Sie war vielleicht eine Kundige, aber sie ist lange tot. Listenreichs Vater König Wohlgesinnt, war, glaube ich, der letzte, der eine Kordiale hatte. Doch aus der Generation wird schwerlich noch einer unter den Lebenden weilen.« Ich biß mir auf die Zunge. Veritas hatte mir einmal erzählt, Solizitas habe alle in der Gabe unterwiesen, die ihr vielversprechend erschienen. Von ihnen mußten noch welche zu finden sein. Sie waren höchstens zehn Jahre älter als Veritas.
    »Tot, zu viele von ihnen, wenn du mich fragst. Ich weiß es«, mischte sich der Narr in meinen Gedankengang. Ich sah ihn verdutzt an. Er streckte mir die Zunge heraus, vollführte ein paar Tanzschritte und begann erneut eine einseitige Unterhaltung mit dem Rattenkopf auf seinem Zepter. »Du siehst, Rätzel, es ist, wie ich dir gesagt habe. Keiner von ihnen hat einen blassen Schimmer. Keiner von ihnen ist klug genug, um zu fragen.«
    »Narr, kannst du niemals so sprechen, daß man klug daraus wird?« rief ich verzweifelt.
    Mitten in einer Pirouette senkte er die Fersen auf den Boden und stand still, wie aus Stein gehauen. »Würde es helfen?« fragte er nüchtern »Würdest du mir zuhören, wenn ich zu dir käme und nicht in Rätseln spräche? Würdest du aufmerken und nachdenken und dir jedes Wort merken und sie später in deinem Herzen bewegen? Nun gut. Ich werde es versuchen. Kennst du das Kinderlied ›Sechs weise Männer gingen nach Jhaampe einst‹?«
    Ich nickte, nicht weniger verwirrt als vorher.
    »Sag’s mir auf.«
    »Sechs weise Männer gingen nach Jhaampe einst,
    stiegen auf einen Berg, auf einen Berg.
    Stiegen hinauf, doch hinunter nimmer,
    wurden zu Stein und flogen davon, flogen davon…«
    Plötzlich wußte ich nicht mehr weiter. »Den Rest habe ich vergessen. Es ist nur eins von diesen Kinderliedern, die einem im Gedächtnis bleiben, aber sonst nichts zu bedeuten haben.«
    »Zweifellos aus diesem Grund ist es bei den Wissenssprüchen aufgeführt«, stimmte der Narr mir übertrieben beflissen zu.
    »Davon weiß ich nichts.« Ich war so aufgebracht, daß ich aus der Haut hätte fahren mögen. »Du fängst schon wieder damit an. Nie kannst du verständlich reden, auch wenn du es sagst. Die Bedeutung deiner Worte entzieht sich mir.«
    »Rätsel, mein lieber Firlefitz, sollen die Menschen zum Nachdenken anregen. Neue Wahrheiten in alten Weisheiten finden. Doch sei dem wie ihm wolle… Dein Gehirn entzieht sich mir, wie soll ich es hervorlocken? Vielleicht, indem ich mich nachts unter dein Fenster stelle und singe:
     
    Bastardprinzlein, Fitz, mein Herz,
    was bringst du mir Ärmstem großen Schmerz;
    gehst nicht vom Fleck, kommst nicht von hinnen,
    statt frisch und froh das Werk zu beginnen.
     
    Er war auf ein Knie gefallen und zupfte nicht vorhandene Saiten an seinem Zepter, während er hingebungsvoll sein Liedchen vortrug. Die Melodie gehörte zu

Weitere Kostenlose Bücher