Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Bund, der erneuert werden mußte. Dennoch vermittelte es mir ein Gefühl der Befriedigung, wenigstens dazu fähig zu sein.
Außerdem leistete ich auch meinen Teil Arbeit im Garten der Königin. Ich half, Bänke und Statuen und Kübel aufzustellen und dann hin und her zu schieben, bis Kettricken endlich mit der Anordnung zufrieden war. Gerade während dieser Stunden legte ich Wert darauf, daß Veritas bei mir war. Ich hoffte, es würde ihn nachdenklich machen, seine Königin zu sehen, wie andere sie sahen, besonders wenn sie erfüllt war von der Begeisterung für ihr verschneites Gartenreich. Mit rosigen Wangen und goldenem Haar, vom Wind geküßt und lebensvoll: so zeigte ich sie ihm. Er hörte, wie sie unbefangen darüber plauderte, wie große Freude ihm dieser Garten hoffentlich bereiten werde. Verrat an dem Vertrauen, das Kettricken mir schenkte? Wann immer mein Gewissen schlug, stellte ich mich taub. Auch zu meinen Besuchen bei Philia und Lacey nahm ich ihn mit.
Zudem bemühte ich mich, Veritas am Leben seiner Untertanen teilhaben zu lassen. Seit er wieder begonnen hatte, von der Gabe Gebrauch zu machen, bot sich ihm kaum noch Gelegenheit, mit den einfachen Leuten zu verkehren, was ihm stets eine Freude gewesen war. Ich nahm ihn mit in die Küche, in die Wachstube, zu den Stallungen und hinunter zu einem Streifzug durch die Tavernen von Burgstadt. Er seinerseits lenkte meine Schritte zu den Bootsschuppen, wo ich zuschaute, wie letzte Hand an seine Schiffe gelegt wurden. Als sie später am Pier vertäut lagen, ging ich dorthin und unterhielt mich mit den Besatzungen, die sich mit den Gegebenheiten an Bord vertraut machen. Ich ließ ihn das Schimpfen der Männer mit anhören, die nicht damit einverstanden waren, daß man einige der Flüchtlinge von den Fernen Inseln in die Mannschaft aufgenommen hatte. Jeder konnte sehen, daß diese Outislander im Umgang mit schnellen Räubern erfahren waren und uns durch ihr Fachwissen halfen, besten Nutzen von den Möglichkeiten unserer Schiffe zu machen. Leider ebenso unübersehbar, daß viele unserer Landsleute den Fremden mit Abneigung und Mißtrauen begegneten. Ich war nicht sicher, ob Veritas’ Entschluß, sich ihrer zu bedienen, klug gewesen war, doch verschwieg ich meine eigenen Zweifel und beschränkte mich darauf, ihm die schwelende Unzufriedenheit an Bord vor Augen zu führen.
Er begleitete mich auch, wenn ich Listenreich meine Aufwartung machte. Die Erfahrung lehrte mich, meine Besuche auf den späten Vor- oder frühen Nachmittag zu legen. Wallace versuchte mit ermüdender Regelmäßigkeit, mir den Zutritt zu verwehren, und immer waren außer mir noch andere Leute anwesend, Dienstmägde, die ich nicht kannte, oder ein Handwerker, der umständlich eine Tür ausbesserte. Ich hoffte ungeduldig auf eine Gelegenheit, unter vier Augen mit ihm über meine Heiratspläne zu reden. Der Narr war immer da und hielt sein Wort, vor Zeugen nichts von unserer Freundschaft merken zu lassen. Sein Spott war scharf und treffend, und obwohl ich seine Gründe kannte, brachte er es mehr als einmal fertig, mich in Verlegenheit zu bringen oder zu ärgern. Das einzige, was mich mit Befriedigung erfüllte, waren die Veränderungen in dem Raum. Von irgendwoher war Mistress Hurtig etwas über die Zustände in den königlichen Gemächern zu Ohren gekommen.
Mitten im Trubel des Winterfestes rückten Mägde und Knechte in solcher Zahl an, daß mit ihnen die Festtagsstimmung über die Schwelle kam. Mistress Hurtig, die Fäuste in die Taille gestemmt, stand in der Mitte des Schlafgemachs und dirigierte ihre Truppen; nebenher hatte sie noch genügend Atem, um Wallace mit Vorwürfen zu überhäufen, daß er sich nicht schämte, die Dinge so weit kommen zu lassen. Offenbar glaubte sie ihm seine Mär, er selbst habe das Saubermachen und Waschen übernommen, um dem König Störungen zu ersparen. Ich verbrachte einen sehr vergnüglichen Nachmittag inmitten des Großreinemachens, denn die Geschäftigkeit weckte Listenreich aus seinem Dahindämmern, und bald war er fast sein altes Selbst. Er besänftigte Mistress Hurtig, als sie die Mägde und Burschen saumselig schalt, und scherzte statt dessen mit ihnen, während die Fußböden gescheuert, frische Binsen ausgestreut und die Möbel mit wohlriechendem Öl poliert wurden. Mistress Hurtig packte einen ganzen Berg aus Decken und Federbetten auf den König, während auf ihren Befehl sämtliche Fenster geöffnet und das Zimmer gründlich gelüftet wurde. Auch
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